Friedrichshafen / sz - Wie kam es zur Seegfrörne im Winter 1963? Und was faszinierte am Abenteuer, übers Eis in die Schweiz zu gehen. Davon erzählt noch bis 20. März die Fotoausstellung von Julius Pietruske in der Sparkasse Bodensee in der Charlottenstraße. 70 Bilder bieten einen einzigartigen Rückblick auf Seegfrörne, Seilschaft, Abenteuerlust und einen Nachtspaziergang bei Eismusik.
War es Neugierde, jugendlicher Leichtsinn oder pure Abenteuerlust, der den 21-jährigen Heinz Pietruske, seinen 18-jährigen Bruder Julius sowie den gleichaltrigen Konrad Burkhart im schier arktischen Winter 1963 angetrieben hat, als eine der ersten Wagemutigen übers Eis zu gehen – und zwar in die 14 Kilometer entfernte Schweiz. Das war am 9. Februar 1963 – die Zeit der Seegfrörne. "Über Nacht war Schnee gefallen, so dass wir sehen konnten, wo es auf dem See taute. Dort war der Schnee weggeschmolzen, die Eisdecke also recht dünn", erinnert sich der heute 70-jährige Julius Pietruske an das Abenteuer, von Langenargen aus das Schweizer Ufer mit Schlittschuhen zu erreichen. Rorschach war das Ziel. Doch die drei Jungs kamen mehr und mehr nach Osten ab. "Wir hatten Glück, nicht am Alten Rhein rausgekommen zu sein. Tags zuvor war dort ein Junge tödlich verunglückt", sagt Pietruske, der kurze Zeit zuvor eine "Aqua Silette" gekauft hatte. "Ich hatte auf die Kamera gespart. Und Oma gab mir den Rest dazu, damit ich sie mir kaufen konnte. Eigentlich wollte ich nur Schneebilder machen. Dass ich etwas Einmaliges, nämlich die Seegfrörne, aufgenommen habe, wurde mir erst hinterher klar."
13 Mal überquerte Julius Pietruske den zugefrorenen See. Davon erzählen die knapp 70 Fotos, die er vom 6. Februar bis 10. März 1963 geschossen hat. Die Ausstellung im Foyer der Sparkasse Bodensee in der Charlottenstraße hat System. "Wer die Texte liest, versteht, wie es zur Seegfrörne kam", sagt Pietruske, dessen Augen funkeln, wenn er davon erzählt, wie er mit seinem Fahrrad von den Schweizer Zöllnern abgewiesen wurde, als die drei Freunde mit den Fahrrädern die Schweiz erreichten. Oder wie er am 28 Februar 1963 mit Freunden einige Mädchen auf der gegenüberliegenden Seeseite besuchte. "Das war die Zeit nach Aschermittwoch. Während bei uns die Fasnet schon vorbei war, feierten die Schweizer noch Fasching. So zogen wir in einer sternenklaren Nacht über den See los. Treffpunkt war das Stammlokal Ilge am Schweizer Ufer. Einmalig war der Heimweg: Durch das Hochdruckwetter hörten wir, wie sich das Eis bewegte – das war wunderschöne Eismusik, wie wir es nannten."
Ernst Haller, Vorsitzender des Geschichtsverein Fischbach, zeigt sich dankbar ob der Ausstellung, die noch bis 20. März die Faszination der Seegfrörne zeigt. Der damals 25-jährige Ernst Haller erinnert sich noch gut an sonnige Spaziergänge mit seiner Frau Helga und Sohn Thomas auf dem See. Das zeigen auch Pietruskes Bilder – knapp 70 Motive. Von schier erstickender Datenflut wie heute kann keine Rede sein. "Ich schätze mal, ich habe damals vielleicht 100 oder 150 Fotos geschossen. Mehr nicht", sagt Pietruske.