Friedrichshafen / sz - In Kooperation mit dem Kulturbüro hat der Kunstverein Friedrichshafen am Donnerstagabend zu einer Lesung eingeladen. Ungewöhnlich wie der Veranstalter, aber bestens passend war auch der Veranstaltungsort: die Kunstverein-Ausstellung "non profit – Nutzlose Nutzbarkeiten jenseits von Nutzen" im Zeppelin Museum. Die Autorin Barbara Köhler zählt zu den beteiligten Künstlern – ihre Texte führen in diese Ausstellung hinein.
Gekommen sind diesmal eher Zuhörer, die sonst zu Vernissagen gehen. Die Autorin, die gern mit Künstlern zusammenarbeitet, erzählt, dass in ihrer Heimatstadt Chemnitz, damals Karl-Marx-Stadt, die Kunstszene im Gegensatz zu der der Literaten belebt und belebend gewesen sei. Ehe sie liest, gibt es zur Einstimmung eine kurze Kuratorenführung durch die Ausstellung, die laut Frank-Thorsten Moll zeigen soll, "dass Kunst komplex ist und gleichzeitig Spaß machen kann". Moll und Kunstverein-Kurator Jörg van den Berg werfen sich elegant die Bälle zu, zeigen anhand der Werke die Auseinandersetzung mit Nutzen und Nutzlosigkeit in der Kunst. Von der Autorin des Abends stammt ein langer, fortlaufender Textstreifen an einer Wand, eine Art Wortinstallation. Ein Text, der sich assoziativ mit Lücken, Leerstellen, Löchern und Lügen beschäftigt. Das Werk gehört ebenso zur Kunst wie zur Literatur.
Köhler liest "Sahnestückchen"
Barbara Köhler kommt von der modernen Lyrik her, in Essays und kurzen Prosatexten ist sie weitergegangen zu Grenzbereichen und zuletzt zur Lyrik zurückgekehrt, zu "Bastardformen zwischen Gedicht und Essay", wie sie sagt. An diesem Abend liest sie aus ihrem Band "Neufundland" (2012), für Jörg van den Berg das "Sahnestückchen". Bestechend die Präzision der Wortwahl. Sie spielt mit Worten, doch mehr, es ist kein Spielen aus Selbstzweck. Aus Aussagen, die auf Beobachtungen fußen können, ergeben sich durch raffinierte Reihungen, in denen meist eine Weiterführung stattfindet, Texte, die Zustände hinterfragen. Man muss genau hinhören. Zwar sagte van den Berg, wer einmal abgehängt habe, würde wieder hineinfinden, doch es wäre schade um jedes Wort, um jede Aussage, die man "verschlafen" hätte. Durch die ungewöhnliche Perspektive bringt die Autorin ihre Zuhörer oder Leser zum Nachdenken, macht auf einmal Zusammenhänge deutlich. Ob sie ihre "ungehaltene Rede" zur Verleihung des Poesiepreises des Kulturkreises des Bunds deutscher Industrieller liest, eine spannende Betrachtung über die Poesie an sich und ihre Poesie im Besonderen, oder Texte über Brücken oder über die Schönheit. Vielleicht sollte man bei ihren sich zwischen Lyrik und Essay bewegenden Texten von wortgewordenen Gedankeninstallationen sprechen. Fazit: ein Veranstaltung, die bestens in die Ausstellung gepasst hat.