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Vertraulich: Der Name der Mutter

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Friedrichshafen / sz - Eine ungewollte Schwangerschaft kann das Leben einer Frau ruinieren – zumindest stellt sich das manchmal aus der Perspektive einer Betroffenen so dar. Deshalb verheimlichen manche Frauen bei der Geburt ihre wahre Identität oder bringen das Kind riskanterweise sogar alleine zur Welt. Im besten Fall bringen diese Frauen, unter starkem Leidensdruck, ihr Kind zu einer Babyklappe. Dann aber wird die Mutter das Kind sehr wahrscheinlich nie wieder sehen. Und das Kind wird wohl nie erfahren, wer seine leibliche Mutter ist.

An dieser Stelle setzt die vertrauliche Geburt an, die seit dem 1. Mai 2014 bundesweit gesetzlich geregelt ist. Das Gesetz garantiert einer werdenden Mutter, die eine Geburt verheimlichen und sich von ihrem Kind trennen will, einen Vertraulichkeitsschutz. Dieser bedeutet, dass die Frau für alle behördlichen Vorgänge einen falschen Namen bekommt. Und dass ihr wirklicher Name in einem Umschlag versiegelt beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) aufbewahrt wird.

Wird das Kind 16 Jahre alt, hat es das Recht – und nur das Kind hat das Recht – die Informationen einzusehen, die in dem Umschlag stecken. In besonderen Situationen kann dem Kind dieses Recht auch verweigert werden. Darüber entscheidet dann ein Gericht.

Bodenseekreis ist gut vorbereitet

Im Bodenseekreis hat bislang noch keine Frau auf das Instrument der vertraulichen Geburt zurückgegriffen. "Wenn eine Frau eine Schwangerschaft verheimlichen will", vermutet Dirk Meiners, der bei der Caritas zuständig ist für die Schwangerenberatung in Friedrichshafen, "dann ist es fraglich, ob sie es da macht, wo sie wohnt, wo man sie erkennen könnte." Eher fahre sie nach Stuttgart. Bundesweit waren es bislang etwa 50 Fälle, seitdem es die vertrauliche Geburt gibt. Zuständig für die vertrauliche Geburt sind die offiziellen Schwangerenberatungsstellen. Doch auch wenn es am Bodensee noch nicht vorgekommen ist, sind die Schwangerschaftsberatungen im Bodenseekreis auf den Ernstfall gut vorbereitet, sagt Sabine Hornig von der Diakonie Friedrichshafen. Alle Mitarbeiter der verschiedenen Schwangerenberatungsstellen seien seit Mitte Dezember umfassend geschult im Umgang mit der vertraulichen Geburt. "Hier im Bodenseekreis sind wir alle zudem sehr gut vernetzt", erklärt Hornig. "Das Jugendamt, das Krankenhaus und alle Schwangerenberatungen untereinander. Weil wir dank der Arbeitsgemeinschaft "Frühe Hilfen" schon so gut zusammenarbeiten."

Die reibungslose Zusammenarbeit und die ausführliche Schulung ist im Falle der vertraulichen Geburt von besonderer Bedeutung. Ein Fehler – eine irrtümlich gezeigte Krankenkassenkarte, ein verplapperter Wohnort – könnte die Identität der betroffenen Frau verraten. Das könnte das Vertrauen in die vertrauliche Geburt zerstören.

Keine Frage der Schicht

Die Gründe, eine Schwangerschaft zu verheimlichen, sind mitunter überraschend vielfältig. Und keineswegs eine Frage des Milieus, in dem die Frau lebt. "Es gibt nicht die eine Gruppe Betroffener", sagt Stephanie Morath von der Caritas. "Klar gibt es Frauen in zerrütteten Verhältnissen. Aber eben auch die wohlhabenden Frauen, die ihren Seitensprung verheimlichen wollen." Auch gebe es Kulturen, in denen eine ungewollte Schwangerschaft, vom falschen Mann, schlimme innerfamiliäre Probleme verursache.

Es sei Frauen übrigens nicht immer anzusehen, dass sie Schwanger sind. "Ich hatte mal einen Fall", erinnert sich Morath, "da hatte eine Frau erst in der 28. Woche festgestellt, dass sie schwanger ist." Im siebten Monat also. Dem Umfeld sei nichts aufgefallen. "Die Verdrängungsmechanismen des Körpers sind sehr gut", konstatiert die Beraterin der Caritas.

Leider nehmen nicht alle Frauen, die Beratungsbedarf hätten, das Angebot einer Schwangerenberatung wahr. Die Fälle, in denen Frauen unvermittelt zum Entbinden in die Notaufnahme kommen und deshalb auch von der vertraulichen Geburt nichts wissen, gibt es auch. Das ist der Grund, warum auch das Personal im Krankenhaus geschult sein muss. Es gebe einen gut dokumentierten Ablaufplan, an den sich dann alle halten, sagt Sabine Hornig.

Wann der erste Fall einer vertraulichen Geburt im Bodenseekreis geschehen wird, das ist kaum einzuschätzen. Das kann heute sein oder erst in drei Jahren. Das BAFzA jedenfalls ist derzeit damit beschäftigt, die Fälle auszuwerten, die bereits vorliegen. Was man bereits sagen könne, erklärt Hornig, sei, dass die Frauen sich bewusst für die vertrauliche Geburt entschieden hätten. In ihrer Psychologie seien sie kaum zu vergleichen mit den Frauen, die ihre Kinder nach der Geburt töteten. Eher im Gegenteil: Viele seien sehr verantwortungsbewusst, was das Leben ihrer Kinder anbelange. Deshalb gebe es auch die Möglichkeit, den Kindern anonyme Nachrichten zu hinterlassen oder Bilder oder Handabdrücke. Das werde alles für die Kinder aufbewahrt. Denn zur Identitätsfindung sei die Herkunft der Kinder von ganz besonders großer Bedeutung.


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