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"Wenn es keinen legalen Weg gibt, gibt es keinen Weg"

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Friedrichshafen / sz - Steuerhinterziehung in den USA bei Daimler, Schmiergeldzahlungen bei MAN, Bordellbesuche beim Versicherungskonzern Ergo – durch das Bekanntwerden von illegalen Praktiken sind auch renommierte deutsche Firmen in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten. Solche Skandale können Ansehen und den wirtschaftlichen Erfolg enorm beschädigen, deshalb leistet sich fast jedes große Unternehmen inzwischen Spezialisten, die sich darum kümmern, dass Regeln eingehalten werden. Im Interview mit SZ-Redakteur Gunnar M. Flotow erklären Personalvorstand Jürgen Holeksa und der Chief Compliance Officer Bernhard Günther, wie das Compliance-Management bei ZF funktioniert.

Ihr offizieller Titel ist Chief Compliance Officer. Wie würden Sie Ihr Aufgabengebiet beschreiben?

Günther: Der Chief Compliance Officer hat dafür zu sorgen, dass alle Maßnahmen, die zur Einhaltung von internen und externen Vorschriften dienen, umgesetzt werden. Ich bin auch dafür verantwortlich, dass unser Compliance-System weiterentwickelt wird und demnächst auch unsere Standards bei TRW eingeführt beziehungsweise angeglichen werden – das wird eine echte Herausforderung.

Seit wann leistet sich ZF einen CCO und eine Abteilung, die sich um Compliance kümmert?

Holeksa: Compliance als eigenständige Organisationseinheit wurde 2008 eingeführt. 2013 haben wir das Thema im Vorstand neu verankert als Teil des Vorstandsressorts Governance, wo wir Recht, Compliance, Unternehmenssicherheit und Außenwirtschaft zusammengefasst haben – auch um zu unterstreichen, dass dem Vorstand das Thema Compliance wichtig ist und wir auf die Durchsetzung der Richtlinien größten Wert legen.

Gab es einen konkreten Anlass, warum ZF 2008 eine Compliance-Abteilung eingeführt hat?

Holeksa: Ich bin mir sicher, dass es auch schon vor 2008 ein gesundes, angemessenes Verständnis für das Einhalten von Gesetzen gegeben hat. Es gab damals keinen konkreten, ZF-bezogenen Anlass. Im Zuge von Entwicklungen, denen andere Unternehmen wie zum Beispiel die Siemens AG ausgesetzt waren, haben wir uns jedoch mit diesem Thema noch einmal auseinandergesetzt. Wir haben uns in der Branche umgesehen und wollten uns einfach nicht schlechter aufstellen als andere Unternehmen. Wir wollen Mitarbeiter schulen und ihnen auch eine Anlaufstelle geben.

Günther: Bei ZF wurde dieser Bereich institutionalisiert, weil es vor allem um eines geht: Fehlverhalten zu vermeiden. Der beste Compliance-Fall ist der, der erst gar nicht eintritt.

Hans Rück, Professor für BWL an der FH Worms, erklärte kürzlich in einem Interview mit der Berner Zeitung, dass in Deutschland eine "obsessive Bürokratie in Sachen Compliance" herrsche. Wie sehen Sie's?

Günther: Ich glaube, er hat gemeint, dass ein Unternehmen Compliance nicht nur als Deckmantel haben sollte. Also viel auf Papier niederschreiben, große Sprüche klopfen – aber nichts davon umsetzen. Das ist genau das, was wir nicht wollen. Wir wollen unsere Compliance leben.

Compliance ist in Deutschland ein großes Thema. Beschäftigen eigentlich russische oder chinesische Unternehmen einen CCO?

Günther: Die Frage ist, ob der Bereich Compliance auch in diesen Ländern angekommen ist. Wir stellen schon fest, dass insbesondere in China die Korruptionsbekämpfung ernst genommen wird. Wir haben auch ein russisches Joint Venture, auch dort sind Compliance-Regeln ganz normal.

Holeksa: Ich denke, dass sich das Compliance-Verständnis, wie es in der westlichen Welt praktiziert wird, bald in der ganzen Welt durchsetzen wird. Zum einen aufgrund der globalen Zusammenarbeit mit Gemeinschaftsunternehmen, zum anderen weil es der einzig richtige Weg ist.

Im Moment ist es jedoch so, dass Bestechung oder Bestechlichkeit in Deutschland verboten, in anderen Kulturkreisen aber nichts ehrenrühriges ist...

Günther: Gesetze haben alle Länder, sogar Nigeria hat ein Gesetz, das Korruption verbietet. Sie haben aber recht: In manchen Kulturkreisen ist das eher üblich als in anderen. Das ist einfach so.

Holeksa: Es gibt auch noch einen Unterschied zwischen legal und legitim. Legal ist Korruption nirgendwo.

Entstehen durch die strengen Compliance-Richtlinien, die sich deutsche Unternehmen geben, nicht Wettbewerbsnachteile?

Günther: Mittlerweile nicht mehr. Nehmen wir zum Beispiel Beschleunigungszahlungen am Zoll oder bei der Einreise. Grundsätzlich ist es jedem ZF-Mitarbeiter verboten, solche Zahlungen zu leisten. Ich glaube nicht, dass wir dadurch dauerhaft einen Wettbewerbsnachteil haben, weil es sich herumspricht, dass ein Unternehmen dazu eine glasklare Haltung hat. Man wird überhaupt nicht mehr damit konfrontiert. Der Zöllner merkt sehr schnell, dass er es bei diesem Unternehmen gar nicht mehr probieren muss, dass er im Gegenteil Probleme bekommt, weil wir uns zum Beispiel bei seinem Vorgesetzen beschweren. Mit dieser Regel ist es auch für unsere Mitarbeiter einfacher. Wir bringen niemanden in einen Gewissenskonflikt.

Wie kommen Ihre Regeln eigentlich bei Ihren eigenen Leuten an? Für Vertriebsleute oder Einkäufer wäre es doch vielleicht einfacher, wenn sie ein paar Dollar in den Reisepass reinstecken?

Holeksa: Ein gut kommuniziertes und auch gut geschultes Compliance-System gibt jedem Mitarbeiter Sicherheit und Orientierung. Er gerät gar nicht mehr in diesen Zwiespalt. Wenn es keinen legalen Weg gibt, dann gibt es keinen Weg für ZF.

Günther: Wenn der Mitarbeiter ein Geschäft nicht bekommt, weil er dafür hätte bestechen müssen, dann wird ihm kein Vorgesetzter einen Vorwurf machen. Wenn das Geschäft nur durch Bestechung zu Stande kommt, dann wollen wir es nicht.

Was passiert denn einem ZF-Mitarbeiter, wenn er die Compliance-Regeln verletzt?

Günther: Wir gehen jeder Regelverletzung nach und klären sie auf. Zum einen gibt es externe Sanktionen durch den Gesetzgeber. Zum anderen gibt es den arbeitsrechtlichen Rahmen, der von Ermahnung und Training über Abmahnung bis zur Kündigung reicht. Einverstanden?

Was muss der Mitarbeiter denn tun, um eine Kündigung zu bekommen?

Günther: Ein Einkäufer beispielsweise, der sich von einem Lieferanten bestechen lässt, wird in diesem Unternehmen nicht mehr länger Einkäufer sein. Klarer Fall.

Die Daimler AG hat relativ erfolgreich ein Whistleblower-System eingeführt, um strenge Compliance-Richtlinien durchzusetzen. Was halten Sie davon?

Günther: Wir haben auch solch ein System auch, das heißt bei uns ZF Trust Line. ZF Trust Line wurde vor einem Jahr in Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern installiert. Es kann anonym genutzt werden, bislang haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Es sind einige Hinweise eingegangen, aber es war nicht so, dass Leute denunziert wurden – diese Gefahr besteht bei anonymen Hinweissystemen ja immer. Es ist aber wichtig, dass wir so etwas haben, das gehört nach unserem Verständnis zu einem guten Compliance-Management dazu.


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