Friedrichshafen / sz - Mit einem Alkoholgehalt von 2,2 Promille hat die Häfler Polizei am Wochenende ein 16-jähriges Mädchen bei einer Fasnets-Veranstaltung aufgegriffen. Gerade in der fünften Jahreszeit ist der Alkoholkonsum unter Jugendlichen ein großes Problem. Ein Angebot der Suchtberatung in Friedrichshafen soll die Teenies zum Nachdenken anregen.
Die Gegenstände im Raum verschwimmen. Die Regalbretter laufen aufeinander zu. Der Stift auf dem Tisch lässt sich nicht auf Anhieb greifen. So oder ähnlich wird die Umwelt im Alkoholrausch wahrgenommen. Mit einer Rauschbrille lässt sich der Zustand simulieren. Sie kommt beim Gruppengespräch des 'HaLT'-Angebots der Psychosozialen Beratungsstelle der Diakonie zum Einsatz. In der Gruppe, in der alle die gleiche Erfahrung gemacht haben, sollen Jugendliche, die durch ihren Alkoholkonsum auffällig geworden sind, das erste Mal ihr Trinkverhalten reflektieren.
Einladung nach Exzess
Ursprünglich war 'HaLT – Hart am Limit' ein bundesweites Projekt. 2009 wurde es im Bodenseekreis begonnen, weil sich die Zahl der Jugendlichen, die mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wurden, innerhalb weniger Jahre verdoppelt hat. Kommt ein Jugendlicher zwischen zwölf und 17 Jahren seitdem ins Krankenhaus oder fällt der Polizei durch seinen Alkoholkonsum auf, erhält er eine Einladung, am 'HaLT'-Angebot teilzunehmen.
Erklären sich der Jugendliche und seine Eltern bereit, stellt die Beratungsstelle innerhalb weniger Tage telefonisch den Kontakt her und es kommt zu einem Gespräch. Wer möchte, darf dann noch am Gruppengespräch mit den anderen Jugendlichen teilnehmen und Freunde mitbringen. Seit einem Jahr ist es ein festes Angebot der Beratungsstelle. Das Landratsamt zahlt dafür 16000 Euro im Jahr. Während der Fasnet kommen mehr Jugendliche als sonst zum Gespräch, berichtet Jürgen Schuler, Leiter der Beratungsstelle. Auf Umzügen oder Partys testen sie ihre Grenzen.
Verbot als Lösung?
Doch wo kommen sie an die Drinks? Edeka Baur verkauft seit vier Jahren keine alkoholischen Getränke an Jugendliche unter 18 Jahren. 'Das ist eine gesellschaftliche Verantwortung, die wir übernehmen', sagt Sprecherin Pamela Baumhardt. Man sorge dafür, dass die Getränke nicht die gefährdete Gruppe der Jugendlichen erreichen.
'Alkohol ist, auch bei Erwachsenen, beziehungsstiftend', sagt Jürgen Schuler. 'Leider', fügt er hinzu. 'Alkohol ist ein Kulturgut. Der Umgang muss erlernt werden', erklärt seine Mitarbeiterin Nicole Pusch. Das Ziel, den Konsum zu verhindern, sieht Schuler als unrealistisch an. Es gehe um eine individuelle Klärung der Fragen: Wie sieht meine Situation aus? Welche Perspektive ist für mich die richtige? Jeder müsse eine Entscheidung für sich treffen. Vielleicht finden die Teilnehmer andere Formen des Kicks: Klettern oder Tauchen. Das Angebot gibt dazu eine Hilfestellung.
Wie beim Seehasenfest und an Halloween geht das Jugendschutzteam der Häfler Polizei zur Fasnet vermehrt auf Streife. Polizeisprecher Fritz Bezikofer spricht von einer 'Hochphase'. 'Wir sind bei jedem Ball, wo sich Jugendliche aufhalten', sagt Peter Miller vom Jugendschutzteam der Polizei. Eher wenige der Jugendlichen mit hohem Alkoholpegel würden auf die 'HaLT'-Einladung eingehen.
Spirituosen statt Bier
Allein im Häfler Klinikum wurden 37 Jugendliche im vergangenen Jahr wegen Alkoholkonsums stationär behandelt. Jürgen Schuler nimmt wahr, dass sich die Konsumsitten unter den Jugendlichen verändert haben. Mixgetränke aus Spirituosen seien heute beliebt. Wird dabei zu viel und zu schnell getrunken, könne die Atmung aussetzen. Außerdem besteht die Gefahr, an Erbrochenem zu ersticken. Nicht zuletzt schädige Alkohol die Zellen, was bei Jugendlichen besonders fatal sei, weil ihre Organe noch in der Ausbildung seien, wie Nicole Pusch erklärt.
Vier betrunkene Jugendliche musste die Häfler Polizei in der Nacht von Freitag auf Samstag von Fasnets-Veranstaltungen an die Eltern überstellen. Da hatte die heiße Phase der fünften Jahreszeit noch nicht einmal begonnen...
Fasnet ohne Alkohol
Die Häfler Schulen arbeiten das ganze Jahr über mit Drogenbeauftragten zusammen. Dem heutigen Fasnets-Höhepunkt sehen sie gelassen entgegen. 'Die Schüler wissen, dass Alkohol verboten ist,' sagt Christoph Felder, Schulleiter des Karl-Maybach-Gymnasiums. Es herrsche eine Vertrauensebene und die Schüler hätten nicht das Bedürfnis, über die Stränge zu schlagen. Würden die Schüler außerhalb des Schulgeländes Alkohol trinken, habe man das als Schule allerdings nicht mehr in der Hand. 'Da ist nur Prävention möglich', sagt auch Jürgen Weber von der Hugo-Eckener-Schule. Mit Blick auf den Gumpigen hat er wenig Sorgen: Die Schüler würden in der Oststadt nicht von den Narren befreit und es herrsche strenges Alkoholverbot. Wie es auch ohne Alkohol geht, hat die Horror-Party in Eriskirch für Zwölf- bis 15-Jährige Ende Januar gezeigt: 400 Teenies kamen zum alkoholfreien Jugendball, der genau auf ihr Alter zugeschnitten war. Marc Hemmer, Sprecher der Narrenzunft Streibemahder, verrät: 'Es war eine schöne, friedliche Sause.'