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Ehemaliger Briefträger darf sich bewähren

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Friedrichshafen / sz - Ende des Jahren 2011 sorgte der 'Postskandal' für Schlagzeilen in Friedrichshafen. Am Mittwoch hat das Amtsgericht Tettnang darauf verzichtet, jenen Mann, der damals mehr als 5000 Briefe verschwinden ließ, zu verurteilen. Maßgeblich auf den Richterspruch wirkte sich aus, dass der 23-Jährige an einer Entwicklungsstörung leidet.

Vor Amtsgerichten kommt es eher selten vor, dass sich das Verlesen der Anklageschrift mehr als 20 Minuten hinzieht. So wunderte es nicht, dass der Staatsanwalt etwas erschöpft in seinen Sessel sank, nachdem er 285 Straftaten samt Tatorten, Zeitpunkten und Geschädigten aufgezählt hatte. Die Bandbreite reichte von Diebstahl (Motorsägen, Batterien, Lautsprecherboxen, Pocketbike, Backwaren) über das Abschlauchen von Sprit (Gesamtschaden: zirka 7500 Euro) bis hin zum Missbrauch von Tankkarten des Ausbildungsbetriebes.

Die falschen Freunde

In Friedrichshafen ist jedoch eine Serie von Straftaten in Erinnerung geblieben, die der junge Mann in den Monaten November und Dezember 2011 begangen hatte: Damals ließ es mehr als 5000 Postsendungen verschwinden – 2500 landeten im Altpapiercontainer, den Rest deponierte er auf dem Dachboden eines Mehrfamilienhauses.

Der Angeklagte räumte vor Gericht alle Vorwürfe ohne Umschweife ein. Auf die Frage, wie er in die Kriminalität abgerutscht sei, erklärte der 23-Jährige: 'Ich habe die falschen Freunde kennengelernt.' Und von denen ließ er sich offenbar gnadenlos ausnutzen.

Möglicherweise spielte dabei seine gesundheitliche Einschränkung eine Rolle. Der junge Mann leidet nämlich am Asperger Syndrom, einer Entwicklungsstörung, die unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, dass der Betroffene sehr leicht zu beeinflussen ist. Im Fall der Tankkarten, die seinem Ausbildungsbetrieb gehörten, hatte er bereitwillig mehr als zwei Dutzend Bekannte mit Gratis-Sprit versorgt. 'Die haben immer Druck auf mich gemacht', erklärte er. Warum er nicht ausgestiegen ist? Er sei aus dieser Spirale einfach nicht mehr herausgekommen.

Eine Frage der Lust

Um den Job bei der Post bewarb sich der junge Mann, nachdem festgestanden hatte, dass er bei seinem Ausbildungsbetrieb nicht übernommen wird. Nach nur zwei Wochen Einlernphase, berichtete der 23-Jährige, habe er die Post alleine austragen müssen. Vor Weihnachten seien es immer mehr Sendungen geworden, die Arbeit habe ihm nicht gefallen. Die Briefe habe er nicht nach bestimmten Kriterien unterschlagen. Ob sie im Briefkasten oder im Altpapiercontainer landeten, hing im wesentlichen davon ab, 'wie ich Lust hatte'. Er gab aber auch zu, dass er manche Umschläge öffnete, weil er Geld darin vermutet hatte. 'Ab und zu habe ich auch was gefunden, so zwischen 300 und 400 Euro', sagte der Angeklagte.

Welche Strafe ist für jemanden angemessen, der einerseits eine Vielzahl von Straftaten auf dem Kerbholz hat, andererseits gesundheitlich beeinträchtigt ist? Das Amtsgericht brütete lang über dieser Frage und entschloss sich schließlich, die Verhängung einer Jugendstrafe auf zwei Jahre auszusetzen. Sollte sich der junge Mann, der mittlerweile wieder arbeitet, in dieser Bewährungszeit etwas zu Schulden kommen lassen, wird über eine Strafe verhandelt.


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