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„Weiß nicht, was in meinem Kopf vorging“

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Friedrichshafen / sz - Das Landgericht Ravensburg hat am Mittwoch die Verhandlung gegen eine junge Frau fortgesetzt, der die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag vorwirft. Konkret: Sie soll in selbstmörderischer Absicht mit ihrem Auto in den Gegenverkehr gerast sein.

Was am Abend des 28. Januar 2014 auf der Kreisstraße 7725 zwischen Hirschlatt und Kehlen passierte, steht fest: Ein junger Mann ist in seinem Ford Fiesta auf dem Heimweg von einer Vereinssitzung, als ihm aus Richtung Ailingen die Angeklagte mit ihrem Peugeot 206 entgegenkommt. In einem Waldstück auf Höhe der Abzweigung nach Gerbertshaus zieht sie auf die Gegenfahrbahn hinüber. Beim Zusammenstoß werden beide schwer verletzt: Der Mann trägt einen Oberschenkelbruch und viele Prellungen davon, die Frau liegt einige Tage im Koma, sie hat ebenfalls einige Knochenbrüche, dazu kommen Blessuren an den inneren Organen.

Warum es zu der verhängnisvollen Begegnung kam, bleibt auch nach dem zweiten Verhandlungstag rätselhaft. Viel beitragen zur Analyse der Geschehnisse konnte oder wollte die Angeklagte am Mittwoch nicht. "Ich kann mich nicht an den Unfall erinnern. Ich weiß nicht, wo ich hin wollte. Ich weiß nicht, was in meinem Kopf vorging. Ich weiß nicht, warum ich rübergelenkt habe", erklärte die 21-Jährige. Ihr Unfallgegner konnte sich dagegen noch sehr genau an den Crash erinnern. Er berichtete, dass sie ihr Auto "ruckartig rübergezogen" habe. "Ich habe die Scheinwerfer gesehen und dann war’s auch schon rum. Ich hatte keine Chance auszuweichen."

Verdächtiges auf Facebook

Die Staatsanwaltschaft ist überzeugt, dass sich die junge Frau umbringen wollte – und billigend in Kauf nahm, dass auch ein anderer Mensch stirbt. Für diese Annahme spricht aus Sicht der Ermittler, dass an ihrem Auto kein technischer Mangel festgestellt wurde und es auch sonst keinen Grund gab, warum sie auf der schnurgeraden Straße auf die Gegenfahrbahn hätte kommen sollen. Sie war außerdem nicht angeschnallt. Genährt wird der Verdacht auf einen versuchten Selbstmord beziehungsweise Totschlag vor allem durch entsprechende Andeutungen gegenüber Freunden sowie einige Einträge bei Facebook und What’s-App-Nachrichten. So hatte sie am Unfalltag ein Video des Sängers Xavier Naidoo gepostet. Der Titel des Songs: "Abschied nehmen." Dann war da noch dieser Post eines Bildes von Marylin Monroe, versehen mit dem Zitat: "Man wird nur geschätzt, wenn man nicht mehr da ist." Nicht zuletzt gab es die merkwürdige Übergabe von Schmuckstücken, eines Plüschtiers und einer Mütze an eine Freundin.

Nur: Welchen Grund könnte die Frau gehabt haben, um ihrem Leben ein Ende zu setzen? Drogenprobleme? Die Angst vor der Kündigung des Ausbildungsplatzes? Liebeskummer? Drohungen einer Rockerbande, weil sie gegen ein Mitglied ausgesagt hatte? Zoff mit den Eltern? Oder eine Melange aus allem? Auf der Suche nach einem Motiv klopfte der Staatsanwalt intensiv die persönliche Situation der Angeklagten ab. "In der Gesamtschau könnte durchaus der Eindruck entstehen, dass Sie unter einer gedrückten Stimmung gelitten haben", stellte er klar. Die 21-Jährige erklärte dem Gericht jedoch wortreich und gewandt, dass sie im Vorfeld des Unfalls eigentlich überhaupt keine Probleme gehabt hatte. Sie bezeichnete sich als "psychisch sehr stark". Selbstmord? "Hätte ich nicht den Mut dazu."

Die Verhandlung wird am Montag, 23. Februar, um 9.30 Uhr fortgesetzt.


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