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Wie Michael Schütz seine Pfunde pulverisiert

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Friedrichshafen / sz - 210 Kilogramm, das war der Höhepunkt, oder besser: Tiefpunkt. So viel Körpergewicht brachte der Konstanzer Michael Schütz bereits auf die Waage. Das war 2012. Seit neun Wochen nimmt er im Häfler Klinikum an dem Abnehmprogramm "Optifast" von Nestlé teil und die Schwäbische Zeitung wird seinen Gewichtsverlust in den kommenden Monaten begleiten.

Zum Kennenlernen haben wir uns in der Caféteria des Häfler Klinikums verabredet. Weil es sich da gemütlich sitzen lässt. Kaffee und ein Stück Kuchen wären jetzt vielleicht lecker, aber unangebracht: Seit neun Wochen, seitdem der 46-Jährige mit dem Optifast-Abnehmprogramm begonnen hat, nimmt Schütz Kalorien nämlich nur noch in pulverisierter Form zu sich. Fünf Beutel sieht das Programm täglich als Nahrungsersatz vor. 160 Kalorien pro Beutel, in Wasser aufgelöst sollen sie nach Erdbeere, Vanille und Schokolade schmecken. Und – glücklicherweise, wie Schütz findet – es gibt auch deftige Varianten: Tomaten- und Kartoffel-Lauch-Suppe.

Vielversprechender Start

"Es funktioniert wie sau", sagt Schütze. In der ersten Woche habe er bereits 7,6 Kilo verloren, da seien 50 Gramm in der Stunde. Jetzt, acht Wochen später, seien es 30 Kilo, die er verloren habe. Pulver anstelle richtigem Essen. Das sei das psychologische Geheimnis: "Das kommt einem Totalverzicht am ehesten", findet er. Schließlich litten stark Übergewichtige unter einem Suchtverhalten, ähnlich wie Raucher. Aber im Gegensatz zu Rauchern könne ein Dicker das Essen ja nicht einfach sein lassen.

Mit ihm sind es elf Teilnehmer in der Gruppe. Sie alle zusammen hätten bereits 150 Kilogramm abgenommen. Im Grunde genommen hätten sie alle zusammen schon einen Teilnehmer abgenommen. "Ja, ich fühle mich wohl", sagt Schütz trotz des rapiden Gewichtsverlusts, "ich bin voll versorgt und leistungsfähig". Sie alle werden medizinisch überwacht und psychologisch betreut. Und Bewegung, wie Schwimmen, steht auch auf dem Programm. Der Konstanzer zeigt sich begeistert: "Das läuft besser als jede Nulldiät."

Nein, Schütz sitzt nicht auf zwei Stühlen, einer reicht. Aber sein blaues Poloshirt besteht aus ziemlich viel Stoff. Weil er in Konstanz wohnt, ist er mit der Berichterstattung einverstanden. Da erscheint die Schwäbische im Grunde nicht. Klar, sich mit diesem Übergewicht in die Öffentlichkeit zu wagen, ist nicht leicht. "Es gibt korpulente Menschen, die sehr selbstbewusst sind", sagt Schütz. Es gäbe auch berühmte Dicke. "Aber das habe ich nie geschafft, auch wenn ich es gern so hätte."

Angefangen habe alles in der Schule, während des Abiturs. Liebeskummer, Stress, Unzufriedenheit. Er nahm zu und probierte Diäten: Friss-Die-Hälfte oder gar die "Hollywood-Star-Diät" aus der Illustrierten. Geholfen hat nichts. Klar: Jojo-Effekt, fünf Kilo runter, zehn Kilo drauf. "Alles, was Du verlierst, kommt mit Zinseszins wieder zurück." Insgesamt, hat er mal ausgerechnet, habe er 300 Kilogramm zugenommen und 200 Kilogramm abgenommen.

Druck wird zum Selbstläufer

Michael Schütz ist ein sehr freundlicher Mensch. Und er spricht offen über sein Leben. Aktuell ist er auf Arbeitssuche. Er ist studierter Betriebswirt, hat zuletzt als Systemadministrator gearbeitet. Seine Situation bringt ihn in Verlegenheit, das ist zu hören. "Da kommen so viele Sachen zusammen", sucht er die Antwort auf sein Übergewicht in seinem Leben. Alles irgendwie. Irgendwann werde der Druck, von außen und innen, ein Selbstläufer. "Und die Fähigkeit, große Mengen in großer Geschwindigkeit zu essen." Vor allem unregelmäßig, nebenbei und ungesund: Fast-Food, wechselseitig salziges und süßes und abends dann in die Vollen gelangt.

Eine Magenverkleinerung komme für ihn nicht infrage. Zwar sagt er, dass er seit einigen Jahren im Grunde genommen resigniert habe. Aber fremdbestimmen wolle er sich nicht lassen. Die Operation wäre genau das: Fremdbestimmung. Und trotz allem mache Essen ja auch noch Spaß und sei gesellig. Eine Magenverkleinerung würde das schon sehr einschränken. "Ich will nicht, dass an meinem Magen rumgeschnippelt wird. Der ist ja in Ordnung", erklärt Schütz. "Es ist mein Verhalten, das nicht in Ordnung ist."

Wie es weitergeht, das wird sich zeigen. Vor allem dann, wenn die Pulvertüten wieder mit echten Nahrungsmitteln ersetzt werden. Wie das so sein wird und wie es ihm dabei geht, darüber werden wir in einer der nächsten Ausgaben berichten.


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