Friedrichshafen / sz - Wegen schwerem sexuellem Missbrauch muss sich ein 45-jähriger Mann aus dem Bodenseekreis seit Mittwoch vor dem Landgericht in Ravensburg verantworten. Die Öffentlichkeit durfte der Verhandlung nur zwei Stunden beiwohnen. Als die Taten detailliert besprochen werden sollten, wurde das Publikum ausgeschlossen.
So mancher Prozessbeobachter hatte sich noch im Vorfeld gewundert, dass dieser Fall öffentlich verhandelt werden sollte. Schließlich drehte es sich um den Vorwurf eines dreifachen schweren sexuellen Missbrauchs, den der Angeklagte an seiner Stieftochter begangen haben soll, die im Tatzeitraum zwischen acht und elf Jahren alt war. Und, wie üblich in diesen Fällen, war zu erwarten, dass sehr, sehr intime Dinge zur Sprache kommen würden. Es bedurfte aber am Mittwoch erst einer entsprechenden Anregung des Verteidigers ("Wollen Sie das morgen in der Schwäbischen Zeitung lesen, was Ihrer Mandantin widerfahren ist"), bevor der Anwalt der Nebenklägerin – also des Opfers – beantragte, die Öffentlichkeit auszuschließen. Das Gericht gab diesem Antrag nach zehnminütiger Beratung statt mit der Begründung, dass durch die Befragung "stark ins Intim- und Sexualleben" der Nebenklägerin eingegriffen werde. Die Zuschauer fragten sich indes beim Hinausgehen, ob es dem Verteidiger bei seinem Hinweis wirklich darum ging, das Opfer zu schützen oder vielmehr darum, seinem Mandanten eine peinliche Befragung in der Öffentlichkeit zu ersparen.
Ob der Angeklagte die Taten einräumte, so wie er es vor der Verhandlung angedeutet hatte, war am Mittwochabend nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Laut Anklageschrift, die noch öffentlich verlesen worden war, sollen die sexuellen Übergriffe auf seine Stieftochter 2004 begonnen haben. Damals soll er sich zu dem Mädchen ins Bett gelegt und es unsittlich berührt haben. Zwischen Mai und Dezember 2007 soll es sogar in zwei Fällen zum Beischlaf gekommen sein – einmal soll der Bruder des Mädchens Zeuge geworden sein. Ihrer Familie und der Polizei offenbarte sich das Mädchen erst im November 2013. Warum so spät? Möglicherweise hatte eine Ansage des Angeklagten Wirkung gezeigt. Er hatte damit gedroht, dass es zur Trennung und zum Verlust des Hauses kommen würde, wenn die sexuellen Übergriffe bekannt würden.
Nachdem die Mutter den Angeklagten zur Rede gestellt hatte, drohte er damit, sich umzubringen. Anschließend ließ er sich vier Wochen in psychiatrischen Einrichtungen behandeln. Im Zuge der Ermittlungen meldeten sich zwei Nichten des 45-Jährigen, die laut eigenen Angaben in den 80er-Jahren "hundertfach" von ihm sexuell angegangen worden seien – diese Taten sind jedoch verjährt.
Die Verhandlung wird am 30. Januar um 9.30 Uhr fortgesetzt.