Friedrichshafen / sz - Mit einem ungewöhnlichen Fall beschäftigt sich am Mittwoch ab 9.30 Uhr das Landgericht Ravensburg. Eine junge Frau muss sich dort wegen des Vorwurfs des versuchten Totschlags verantworten. Sie soll im Januar 2014 in selbstmörderischer Absicht mit ihrem Auto in den Gegenverkehr gerast sein.
Der Unfall, den die Ravensburger Jugendschwurgerichtskammer aufarbeiten muss, ereignete sich am Abend des 28. Januar 2014. Aus Richtung Ailingen kommend zieht eine 20-Jährige kurz vor dem Ortseingang Kehlen mit ihrem Auto hinüber auf die andere Straßenseite. Auf dem Tacho hat sie, so wird es später der Gutachter berechnen, zwischen 80 und 95 Stundenkilomter. Nahezu frontal stößt sie zusammen mit einem entgegenkommenden Auto. Sowohl die Unfallverursacherin als auch der Fahrer des anderen Autos werden lebensgefährlich verletzt.
Die Staatsanwalt Ravensburg geht davon aus, dass die junge Frau ihr Auto mit Absicht in den Gegenverkehr gelenkt hat. Warum? Weil sowohl das Unfallgeschehen als auch die Verhaltensweise der Angeklagten Indizien für diese Annahme sprechen. "Es gibt keinen ersichtlichen Grund, warum die Frau auf die Gegenfahrbahn kam", erklärt Karl-Josef Diehl, Sprecher der Staatsanwaltschaft. "Die Strecke ist schnurgerade, das Fahrzeug hatte keinen technischen Mangel." Genährt wird der Verdacht eines versuchten Selbstmords auch durch den Umstand, dass die 20-Jährige nicht angegurtet war. Ihre Einträge in sozialen Medien wie Facebook oder Whats-App-Nachrichten im Vorfeld des Unfalls deuten laut Diehl ebenfalls darauf hin, dass sie "Abschied nehmen wollte".
Wenn das ihr Plan war, wollte sie aber möglicherweise nicht alleine gehen. In der Sprache der Juristen ausgedrückt, nahm sie "billigend in Kauf, dass ein anderer zu Tode kommt". Deshalb, betont Diehl, laute die Anklage auf versuchten Totschlag. Der Strafrahmen dafür bewegt sich zwischen zwei und zehn Jahren Gefängnis. Ob bei der Angeklagten Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewendet wird, wird das Gericht im Laufe der Verhandlung klären.