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Wikileaks vom Sperrmüll

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Friedrichshafen / sz - Als ein ehemaliger Mitarbeiter der Stadt Friedrichshafen irgendwann im Jahresverlauf seinen alten Dienstlaptop auf dem Sperrmüll entsorgt, ahnt er nicht, dass das erhebliche Folgen haben wird. Auf der Festplatte des Computers befinden sich sechs Gigabyte vertraulicher Gehaltslisten, Zeugnisse und Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen im Rathaus.

Ein Finder bringt das Fundstück an die Öffentlichkeit und auch die Schwäbische Zeitung erhält Einblick in die Daten auf der Festplatte. Sie stammt von einem Ex-Mitarbeiter, der jahrelang an internen Strukturprojekten der Stadt beteiligt war. 2007 wurde er beurlaubt, später ging er als Dozent an eine Fachhochschule. Den Computer darf er zuvor, offenbar mit Billigung der Stadtverwaltung, mitnehmen.

Schöngefärbte Daten

Neben schützenswerten privaten Informationen finden sich unter anderem für die Öffentlichkeit interessante Angaben zu Vorgängen in Hinterzimmern von Häfler Amtsstuben auf dem Datenträger - auch wenn die geschilderten Vorgänge teilweise Jahre her sind und sich im Kern auf die Zeit beziehen, als Josef Büchelmaier Oberbürgermeister der Stadt war und Friedrichshafens gegenwärtiger OB Andreas Brand das Rathaus noch gar nicht betreten hatte.

Von heftigen Friktionen zwischen Amtsträgern ist in den Protokollen die Rede, von schöngefärbten Daten und verhinderten Auftritten von Kritikern vor dem Gemeinderat der Stadt. Auch die Presse bekommt in internen Sitzungen des Rathauses hin und wieder ihr Fett ab. So berichtet das Dokument unter anderem von Versuchen, Journalisten „zum Stillschweigen“ zu bewegen. Auf Twitter bezeichnet ein Nutzer die gesammelten Vorfälle irgendwann als „Provinz-Wikileaks vom Bodensee“.

Persönlicher Streit

Echte Konsequenzen für die Stadtverwaltung hat der Fund der Festplatte am Ende nicht - zu lang sind die geschilderten Vorgänge einfach her. Dagegen könnte die Enthüllungsgeschichte für den Finder der Festplatte letztlich unangenehme Konsequenzen zeitigen: Die Stadt Friedrichshafen will den Mann zunächst zwingen, diese zu löschen oder zurückzugeben. Es bestehe der Verdacht, dass der Finder die Datenpanne für ein persönliches Anliegen mit Bezug zu einem ähnlich skurrilen Streit um das Hallenbad-Bistro nutzen will.

Die Staatsanwaltschaft nimmt wenig später Ermittlungen auf - wegen Diebstahls. Auch Gegenstände auf dem Sperrmüll gehören noch dem, der sie entsorgt, heißt es da. Ob es in der Sache zum Prozess kommt, ist derzeit noch völlig ungeklärt.


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