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Schweres Zugunglück jährt sich zum 75. Mal

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Friedrichshafen / sz - Ein Bild des Schreckens hat sich vor 75 Jahren auf der Bahnstrecke zwischen Kluftern und Markdorf geboten: Das Eisenbahnunglück von Kluftern jährt sich am 22. Dezember zum 75. Mal. Ein mit rund 500 Personen vollbesetzter Zug prallte am 22. Dezember 1939 um 22.19 Uhr zwischen Kluftern und Markdorf mit einem Kohlen-Güterzug zusammen. 106 Menschen starben. Menschliches Versagen und eine Reihe unglücklicher Umstände haben zum Zusammenstoß der Züge geführt.

Bei den Opfern des Unglücks handelte es sich um sogenannte Rückwanderer: Sie hatten ihre Heimat an der Grenzzone zu Frankreich im Herbst 1939 verlassen müssen, weil Kampfhandlungen mit Frankreich entlang des Rheins erwartet worden waren. Da Angriffe aber ausblieben, durften die Menschen von ihren neuen Unterkünften im Allgäu aus nach Hause fahren, um Weihnachten daheim zu verbringen. Die dann folgende Katastrophe vom 22. Dezember forderte 106 Todesopfer und 47 Verletzte.

Unglückliche Umstände

Über die Entstehung der Katastrophe kann im Bericht der Friedrichshafener Kriminalpolizei nachgelesen werden: „Das Unglück geschah dadurch, dass durch eine Verkettung unglücklicher Umstände der Fahrdienstleiter von Markdorf den Güterzug in Markdorf und der Fahrdienstleiter von Kluftern den Personenzug in Kluftern gleichzeitig abfahren ließen. Etwa in der Mitte der Strecke stießen dann beide Züge zusammen. Beide Fahrdienstleiter wurden festgenommen.“

Die Lokomotiven und ersten Waggons verkeilten sich ineinander. Das gestaltete die Bergung der Toten und Verletzten schwierig. Zudem war der 22. Dezebember 1939 ein kalter und nebliger Freitag. Allein die Feuerwehr aus Markdorf war mehr als 110 Stunden vor Ort. Die Verletzten kamen in den Krankenhäusern in Friedrichshafen und Markdorf unter. 89 Tote wurden zunächst in die Güterhalle des Markdorfer Bahnhofs gebracht.

Doch wie konnte es zum Unglück kommen? Auf den Merktafeln der Bahnhöfe Markdorf und Kluftern ist an dem Tag zusätzlich zum fahrplanmäßigen Güterzug aus Richtung Radolfzell der Sonderzug aus Oberstdorf mit den Rückkehrern eingetragen. Diesen hat der Markdorfer Fahrdienstleiter allerdings vergessen, als er für den Güterzug um 22.07 Uhr die Signale auf frei stellen lässt. In Kluftern hingegen gibt es um 22.12 Uhr das Durchfahrtssignal für den Personenzug. „Nach Dienstvorschrift hätten sie die Züge erst bei der anderen Stelle anbieten müssen, bevor sie das Signal freigeben“, erklärt Bernd Caesar, Vorsitzender des Geschichtsvereins Kluftern. Verspätetet versuchen beide Fahrdienstleiter einander zu informieren – allerdings gleichzeitig. Und so ertönt für beide lediglich das Besetzt-Zeichen. Der Fahrdienstleiter in Markdorf will den Güterzug noch warnen, doch der Leuchtstab ist nicht zu finden. So schafft er es nur noch, dem Zug vergeblich hinterherzuwinken. Um 22.17 Uhr erreichen sich die Verantwortlichen schließlich am Telefon, doch da ist es schon zu spät: um 22.19 Uhr ertönt ein explosionsartiger Knall durch die kalte Dezembernacht.

Der 22. Dezember 1939 war ein schwarzer Tag für die deutsche Eisenbahn. Auch in Genthin bei Magdeburg ereignete sich ein schweres Unglück. Die beiden Katastrophen kosteten insgesamt 238 Menschen das Leben.

Augenzeugen erinnern sich

Anlässlich des 50. Gedenktages am 22. Dezember 1989 erinnerten sich Menschen aus Kluftern an das Geschehen von 1939: „Ich stand gerade vor dem Rathaus, als ein explosionsartiger Knall den Ort erschütterte, dem ein langanhaltendes Pfeifen der Dampflokomotive folgte. Da ich noch das Geräusch des soeben vorbeigefahrenen Zuges in den Ohren hatte, war mir klar, dass das ein Zugzusammenstoß war. Nach kurzer Mitteilung bei den Eltern rannte ich los, Richtung Bahndamm“, berichtet Rudolf Thoma, der damals 13 Jahre alt war, vom Unglückstag.

Hilde Schmid aus Lipbach schildert ihre Eindrücke so: „Wir standen am Bahndamm inmitten von Trümmern und Toten, hörten die Schreie der Verletzten und sahen auf den Gleisen Ungetüme in den Himmel ragen und wussten nicht, was denn das alles war“.

Alfons Landolt, damals 30 Jahre alt, erinnert sich an die Bergungsverusche: „Wo man die Werkzeuge ansetzte und helfen wollte, schrien Verletzte. Viele unter und zwischen den Trümmern erreichte man nicht, weil es an Beleuchtung und geeignetem Werkzeug fehlte. Etwas besser wurde es, als man die verfügbaren Autos mit eingeschalteten Scheinwerfern im Halbkreis aufstellte. Als dann die Luftabwehreinheiten mit Scheinwerfern kamen und Schneidbrenner zur Verfügung standen, kam man schneller voran“.


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