Friedrichshafen / sz - Stundenlang haben Einsatzkräfte der Polizei, DLRG und Feuerwehr am Dienstagabend zwei vermisste sechsjährige Jungs gesucht, die sich aus der Ganztagesbetreuung der Schreienesch Gemeinschaftsschule gestohlen hatten. Gefunden wurden sie im Media Markt im Bodensee-Center beim Videospiel. Die Polizei ermittelt jetzt, ob es sich um eine Verletzung der Aufsichtspflicht handelt.
Als die Eltern ihre Kinder am Dienstagnachmittag abholen wollen, sind die einfach nicht da. Um 14.15 Uhr wurden die Jungs noch im Schülercafé der Schule verabschiedet, erklärt Thomas Strobel, Rektor der Gemeinschaftsschule. Sie sollten in ein anderes Gebäude wechseln, in dem Erstklässler in der sogenannten Abc-Gruppe versammelt werden. Doch die Sechsjährigen machen sich davon, um im benachbarten Waldstück zu spielen. Danach wollen sie auf eigene Faust zu einem von beiden nach Hause gehen und klingeln – doch zu diesem Zeitpunkt sind die Eltern nicht zu Hause, sondern zusammen mit den Einsatzkräften auf der Suche nach den Kindern. So machen diese sich auf zum nahe gelegenen Bodensee-Center, wo sie später von der Feuerwehr gefunden werden.
Eine Frage, die sich nach dem Vorfall stellt: Wie ist es möglich, dass das Fehlen zweier Sechsjähriger knapp zwei Stunden niemandem von der Ganztagesbetreuung auffällt? Ist eine absolute Kontrolle über eine Vielzahl von Kindern überhaupt möglich? „Irgendetwas hat nicht funktioniert“, sagt der Rektor der Gemeinschaftsschule im Nachhinein. Jetzt müsse man sich fragen, ob es eine Schwachstelle gebe. Man sei dabei, den Vorfall in intensiven Gesprächen, auch mit den Eltern, aufzuarbeiten. Auf der einen Seite stehe der Erziehungs- und Bildungsauftrag, die Kinder zur Selbstständigkeit zu führen – daher dürfe man sie nicht zu sehr an der Leine halten. Auf der anderen Seite stehe die Sicherheit der Kinder. Eigentlich sei sie der Schule besonders wichtig – wegen der Nähe zur Rotach und zum Bodensee.
Einsatzkräfte waren angespannt
Tatsächlich hat sich die Suche der Einsatzkräfte zu Beginn auf das Gebiet der Rotach bis zum Bodensee konzentriert, wie der Häfler Stadtbrandmeister Louis Laurösch erklärt. „Es herrschte eine gewisse Anspannung“, sagt er. Man habe nicht ausschließen können, dass die Kinder eventuell ins Wasser gefallen seien. Als die Suche ergebnislos endete, habe man sich andere Bereiche überlegt, in denen sich Kinder aufhalten könnten. Einer davon sei das Bodensee-Center gewesen.
Hundertprozentig könne man einen solchen Fall nicht verhindern, meint Rektor Strobel. Bis zu 250 Kinder seien in der Nachmittagsbetreuung, aufgeteilt in verschiedene Gruppen und Räume. Dies sei das erste Mal, dass so etwas passiert ist. Die Erstklässler seien in der Phase gewesen, in der die anfangs enge Betreuung etwas gelockert worden sei. Letztendlich müsse man sich auf die Kinder verlassen können, schließlich gingen sie auch alleine auf die Toilette. „Nur wenn wir ein umzäuntes Gelände hätten, könnte ich einem Kollegen einen Vorwurf machen“, sagt der Schulleiter.
Laut Polizeipressesprecher Markus Sauter ermittelt zur Zeit ein Jugendsachbearbeiter des Polizeireviers Friedrichshafen. Bis jetzt gebe es keine Anzeichen für eine Verletzung der Aufsichtspflicht an der Schule. Der Sachbearbeiter müsse allerdings alle Beteiligten fragen und die Regularien der Schule klären.
Was man in Zukunft anders machen könne? „Wir müssen uns fragen, ob das zur Verfügung gestellte Gelände zu groß oder zu langweilig ist“, sagt Strobel.
Wer zahlt den Einsatz?
Bis 18.10 Uhr haben Polizeiwagen, Boote, ein Rettungshubschrauber und ein Polizeihund am Dienstag nach den zwei vermissten Jungs gesucht. Neun Fahrzeuge und über 30 Personen waren von der Feuerwehr im Einsatz sowie drei Boote und 21 Personen der DLRG, die die Polizei bei der Suche unterstützt haben. „Der Einsatz war ein Notfalleinsatz und ist damit kostenfrei“, sagt Stadtbrandmeister Louis Laurösch. So stehe es im Feuerwehrgesetz. Sei kein Vorsatz beziehungsweise grob fahrlässiges Verhalten festzustellen, sei die Rettung von Mensch und Tier nicht kostenpflichtig. Wie sich der Sachverhalt darstellt, wenn die Polizei doch eine Verletzung der Aufsichtspflicht feststellt, dazu kann Polizeipressesprecher Markus Sauter noch nichts sagen. Der Jugendsachbearbeiter ermittle noch bis Anfang nächster Woche.