Friedrichshafen / sz - Mit einem euphorischen Klangrausch von Chor, Orchester und Solisten hat am Sonntagabend die Aufführung von Max Bruchs Oratorium „Das Lied von der Glocke“ im gut besetzten Graf-Zeppelin-Haus geendet. Minutenlanger Applaus dankte dem Philharmonischen Chor Friedrichshafen, der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz und dem Solistenquartett unter der Gesamtleitung von Musikdirektor Joachim Trost für ein überwältigendes Gesamtkunstwerk.
Viele im Saal werden Schillers berühmtes Gedicht noch gekannt haben, haben es vielleicht in der Schule auswendig lernen müssen und damals noch lange nicht die Tiefe erfasst, die allegorische Verknüpfung eines Glockengusses mit dem menschlichen Lebenslauf und Reflexionen dazu. Max Bruch hat die einzelnen Ebenen in seinem zu Unrecht selten aufgeführten Oratorium so unmittelbar in überschwängliche Stimmungsbilder übersetzt, dass sie direkt greifbar vor dem geistigen Auge ablaufen. Es ist eine überwältigende Klangfülle, ein „Bad im Rausch der Klänge, eine genussvolle Orgie“, wie im sehr gut gestalteten, informativen Programmheft nachzulesen. Musik und Gesang „übersetzen“ die einzelnen Elemente je nach Inhalt mit Rezitativen, Arien und Chören, mehrfach vereinen sich Chor und Solistenquartett und das Orchester stimmt ein in die üppige Tonmalerei.
Mächtiger Orchesterklang unterstreicht anfangs die lateinische Umschrift der Glocke: „Die Lebenden ruf’ ich, die Toten beklag’ ich, die Blitze brech’ ich.“ In inniger weihnachtlicher Stimmung lässt der Komponist die Freude am Neugeborenen erleben, in lyrischer Poesie die jungfräuliche Braut, die der Mann erwählt. Dynamisch malt der Männerchor aus, wie der Mann ins Leben hinausgeht, stiller und doch nicht minder lebendig malt der Frauenchor das Walten der „züchtigen Hausfrau“. Hochdramatisch besingt später die Altistin das unkontrollierte Feuer, dramatisch brodelt im Orchester die unheimliche Gefahr, ehe es zusammen mit dem Chor die ganze zerstörerische Wut des Brandes beschreibt. In tiefe Hoffnungslosigkeit schlägt die Stimmung um, stockend berichtet der Alt von der leergebrannten Stätte, das Grauen wird greifbar, doch süßer Trost entspringt aus der Erkenntnis, dass niemand zu Schaden kam. Man könnte noch viele Beispiele nennen: die tiefe Trauer beim Tod der Gattin, den liebenden Rückblick auf ihre Sorge und später das Schwenken auf die politische Ebene, das emphatische Loblied auf Vaterland und Freiheit, die dramatische Beschwörung des Friedens.
Um all dies umzusetzen braucht es gute Ausführende, und da ist der Philharmonische Chor geradezu über sich hinaus gewachsen – in den Männer- und Frauenchören wie im rauschhaften Klang des Gesamtchores. Nicht minder großartig hat das Orchester die so üppig ausgemalten Stimmungen erfahren lassen, die dramatischen wie die leisen Passagen. Im Solistenquartett stachen besonders die Frauen hervor. Klar und rein war Katharina Persickes kraftvoll strömender Sopran, ausdrucksvoll Stefanie Irányis warme Altstimme, wunderbar harmonierten sie im Duett oder Terzett. Markant führte Bassist Holger Ohlmann als Meister durch das Werk, während Tenor Martin Nyvall besonders in der dramatischen Schilderung der aufgelösten Ordnung überzeugte, in lyrischen Passagen dagegen leicht indisponiert schien.
Insgesamt war das Zuhören einfach ein außergewöhnlicher Genuss, ob dem Orchester allein oder dem Solistenquartett oder dem gewaltigen Chor oder allen zusammen. Großer Dank an Joachim Trost, der das Werk ausgewählt und so souverän einstudiert und geleitet hat.
Nicht vergessen seien die drei goldfarbenen Glocken am Bühnenrand und die vielfältigen Zeichnungen und Objekte zu Schillers Gedicht, die Uta Schubert und Uta Danny mit ihren Schülern der Realschule St. Elisabeth erarbeitet und im Foyer ausgestellt haben. Sie fanden reges Interesse.