Friedrichshafen / sz - Alex Senn hat im Gessler 1862 aus seinem Debütroman „Geheimratsecken“ gelesen. Ein amüsanter Unterhaltungsroman über die „Problemzone“ des Mannes, die Auswirkungen auf dessen Psyche und seines Umfeldes.
Mit musikalischer Unterstützung seiner beiden Freunde Sebastian Danielson (Percussion) und Alexander Boethius (E-Gitarre) gab es eine Lesung der etwas anderen Art: unterhaltsam, humorvoll und mit einer guten Portion Selbstironie.
Bis zum Friseurbesuch bei Tante Lisbeth war die Welt für Jonas noch in Ordnung. Der Protagonist in Alex Senns Roman „Geheimratsecken“ hat ein haariges Problem. Haargenau gesagt ziehen sie es vor, den Abfluss seiner Dusche zu verstopfen, anstatt auf seinem Kopf zu verbleiben. Dabei ist Jonas erst Mitte Zwanzig, hat gerade einen Job in einer Münchner Werbeagentur angetreten und hat nicht nur ein, sondern gleich beide Augen auf Sina, die unglaublich attraktive Praktikantin, geworfen. Leider ist Sina mit einem Typen liiert, der mit langen, fluffigen Haaren gesegnet ist. Mit so einem Softie, dem es an Charisma und bestimmt auch an Intelligenz fehlt, ohne Ecken und Kanten, die einen Mann auszeichnen. So sieht Jonas das, während er zuhause den Spiegel abklebt, um sich nicht schon morgens mit seinem fehlenden Haupthaar beschäftigen zu müssen. Dabei hat er seinem Haar bisher so viel Beachtung geschenkt, „wie magersüchtige Models einer triefenden Dönerbude“, liest der Autor. Das wird sich im Laufe der Geschichte aber noch gründlich ändern.
Musikalisch untermalt wird die Lesung Senns von den beiden Musikern, die der Geschichte mal die nötige Dramatik geben, um in nächsten Moment mit sanften Klängen das Blackout des Protagonisten nach einer durchzechten Nacht zu begleiten.
„Es geht in dem Buch um Selbstwert und Selbstbewusstsein“, fasst der Autor, gebürtig aus Rottweil und heutiger Wahlschweizer, die Welt des Jonas aus M. in zwei Worten zusammen. Mit seiner plastischen Sprache schafft er es, Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Man spürt den bohrenden Blick der Praktikantin, die mitleidige und natürlich völlig überflüssige Anteilnahme der Arbeitskollegen und die unterdrückten Zweifel von Jonas. „Stehen Frauen eigentlich auf Männer mit Glatze?“, fragt er sich.
Eine Geschichte zum Verzweifeln ist es aber nicht – im Gegenteil. Senn hat das „todernste Thema“, wie sein Protagonist meint, in einen lockeren, fast schon satirischen Mantel gehüllt. „Es ist übrigens kein autobiografischer Roman“, wirft Senn zwischendurch ein und zeigt dabei auf seine Mütze. Schon als Jugendlicher sei er immer gut behütet unterwegs gewesen, das habe er aus seiner Hip-Hop-Zeit beibehalten. Dass er den Sprechgesang beherrscht, hat er mit einem Rapp zum Ende der Lesung bewiesen. Jonas wäre begeistert gewesen.
Zur Person:
Alex Senn, 1985 in Rottweil geboren. Lebt seit der Jahrtausendwende in der Schweiz. Er ist Absolvent der Kingston University London und der Schweizerischen Textakademie Zürich. Er rappt, ist Poetry Slammer und „kocht nach Bildern, malt nach Zahlen und sammelt Kopfbedeckungen jeglicher Art.“
„Geheimratsecken“, erschienen im Salis Verlag, 24.95 Euro.