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„Streikfolgen sind immer unberechenbar“

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Friedrichshafen / sz - Es soll der längste Lokführerstreik in der Geschichte der Deutschen Bahn werden. Auch Regionalzüge in Friedrichshafen sind ab Donnerstag betroffen. Bis Montag um 4 Uhr müssen die Häfler Bahnfahrer womöglich auf den Ersatzverkehr umsteigen. Die SZ hat sich über das Ausmaß informiert und mit Betroffenen gesprochen.

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) streikt – Bahnpendler haben das Nachsehen. Auf der Strecke zwischen Friedrichshafen und Lindau findet nach Information der Bahn kein Zugverkehr statt. Ein Ersatzverkehr in Form von Bussen soll im Stundentakt den Ausfall auffangen. Zwischen Ulm und Lindau verkehren die Regional- und Interregio-Expresse stündlich nur zwischen Ulm und Friedrichshafen, die Regionalbahnen fallen aus. Genauso auf der Strecke Richtung Singen: Hier verkehren einzelne Interregio-Expresse, zwischen Überlingen und Radolfzell ist ein Ersatzverkehr im Zweistundentakt geplant. Für den Fernverkehr gilt bis einschließlich Sonntag ein Ersatzfahrplan.

Die Bodensee-Oberschwaben-Bahn (BOB) hofft, dass sie vom Streik nicht betroffen sein wird. Allerdings seien die Lokführer über den Regionalverkehr Alb-Bodensee (RAB) eingestellt und es könne nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Lokführer streiken, wie Pressesprecher Sebastian Dix erklärt. „Wir gehen zwar davon aus, dass unsere Züge planmäßig fahren.“ Doch für den Fall, dass Züge ausfallen sollten, wollen die Verantwortlichen Ersatzbusse bereitstellen. Ob dabei jede Fahrt abgedeckt werden könne, sagt Dix, sei nicht sicher: „Streikfolgen sind immer unberechenbar.“

Auch die Bodensee-Oberschwaben Verkehrsverbundgesellschaft (bodo) ist nach eigenen Informationen vom Streik betroffen. Auf zentralen Zug-Verbindungen im bodo-Verbundgebiet seien inzwischen ein Schienenersatzverkehr mit Bussen sowie Notfall-Fahrpläne erstellt worden.

Schüler betroffen

Vom Streik betroffen sind Häfler Unternehmen, aber auch Schüler. „Bisher war es immer so, dass sich die Schüler selbst informieren müssen“, sagt Franziska Ludwig vom Sekretariat der Claude-Dornier-Schule. Einzelne würden bei Streiks zwar trotzdem zu spät kommen aber im Großen und Ganzen habe es immer geklappt. Schulleiterin Susanne Fastnacht von der Hugo-Eckener-Schule sieht ohnehin keine Möglichkeit Vorkehrungen zu treffen: „Wer sollte denn einen Ersatzbus bezahlen?“ „Probleme haben bei Streiks eigentlich nur Schüler aus der Richtung Kressbronn, vereinzelt auch von Markdorf und Salem“, sagt Hermann Dollak, Schulleiter des Graf-Zeppelin-Gymnasiums. Wenn aber in Streikzeiten mal jemand zu spät komme, trage man das an der Schule mit pädagogischer Fassung.

Die Unternehmen trifft der Streik auch beim Güterverkehr. Hier läuft der Streik bereits seit gestern Nachmittag. Peter Jany, Hauptgeschäftführer der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben, erklärt: „Der Bahn-Streik bedeutet nichts Gutes für die Wirtschaft. Unternehmen in Bodensee-Oberschwaben sind bei den Güterverkehren vor allem auf das funktionierende Terminal in Ulm-Dornstadt, aber auch in Singen und Kornwestheim angewiesen. Hier droht nun der Stillstand für Züge mit der Deutschen Bahn und ihren Tochterunternehmen.“ Die Auswirkungen gingen weit über die eigentliche Dauer des Streiks hinaus. Die Konsequenz könne sein, dass die Speditionsfirmen mittel- bis langfristig doch auf die Straße umverlagern, um unabhängiger von der Schiene zu sein.

Bei Rolls-Royce Power Systems geht man allerdings davon aus, dass sich der Streik nicht auf die Produktion auswirken wird – Die Strecken werden hier von Lastwägen zurückgelegt, wie Sprecher Wolfgang Boller erklärt. Bei den Containertransporten vom Werk weg wird während der zwei Arbeitstage, die in der Zeit des Streiks liegen, der Schienenverkehr ausgesetzt: Container, die normalerweise in Ulm – größtenteils Richtung Hamburg – auf Züge umgeladen werden, nehmen jetzt den Weg über die Straßen. Auch die ZF ist nur minimal betroffen, wie Jochen Mayer von der Presseabteilung erklärt. Der Güterzugverkehr sei in Friedrichshafen kein substanzieller Teil der Lieferkette. „Das macht sich in der Produktion nur marginal bemerkbar. Hier müssen wir uns nicht groß wappnen“, erklärt Mayer.

GDL ist guter Stimmung

Gunnar Hunger, Vorsitzender der GDL-Ortsgruppe Friedrichshafen, gibt an, dass die Stimmung unter den streikenden Kollegen gut sei. Was die Kollegen zermürbe, sei die Berichterstattung der Bild-Zeitung. „Das macht die Leute hier sauer“, sagt Hunger. „Ich bin selbst erschüttert, was da alles steht.“ Das kratze an der Berufsehre, der Job sei es nach wie vor, zu fahren. „Ich kenne den Ersatzfahrplan der Bahn noch nicht“, sagt er, doch er gehe davon aus, dass die Bahn wieder alles versuchen werde, um die Südbahn- und die BOB-Verbindungen aufrecht zu erhalten.

Gottfried Christmann, DGB-Regionalsekretär für Südwürttemberg, macht deutlich, dass die GDL nicht zum Deutschen Gewerkschaftsbund, sondern zum Deutschen Beamtenbund gehört. Er sieht im aktuellen Arbeitskampf ein ungutes Konkurrenzgebahren zur EVG (Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft), die im DGB die Mehrheit der Beschäftigten der Deutschen Bundesbahn vertrete. Christmann: „Die GDL durchbricht derzeit einen Grundsatz, der die Zeit nach 1945 jahrzehntelang geprägt hat: Ein Tarifvertrag, ein Betrieb!“ Auch wenn der DGB-Gewerkschaftsmann das Recht zum Streik hochhält, erklärt er: „Dieser Arbeitskampf der GDL ist kaum noch vermittelbar und wird zurecht als Konkurrenzkampf im Bahnkonzern wahrgenommen.“

Eine Alternative bieten die Fernbusse

MeinFernbus, ein Unternehmen, das etwa täglich von Friedrichshafen nach München, Zürich oder Freiburg Busfahrten anbietet, rechnet mit der vierfachen Anzahl von Buchungen in der Streikzeit, wie Florian Rabe, stellvertretender Pressesprecher, erklärt. Mit Hochdruck arbeite der Anbieter an zusätzlichen Fahrten – 100 sollen es bundesweit jeden Tag sein. Ob die Zusatzbusse allerdings auch über W-LAN verfügen werden und die Fahrradmitnahme möglich sei, sei nicht sicher. Tatsache ist: Seit der Bekanntgabe des Lokführerstreiks ist die Zahl der Besucher auf der Buchungsseite in die Höhe geschnellt. Besonders für Freitag sind schon mehrere Fahrten Richtung München ausgebucht. Da die Preise bei MeinFernbus stets höher werden, wenn die Zahl der freien Sitzplätze abnimmt, lohnt es sich laut Rabe, möglichst früh zu buchen. Viele der Fahrten nach München in der Zeit bis Montag kosten allerdings schon jetzt den Maximalpreis von 21,50 Euro. Florian Rabe rät auch dazu, sich von ausverkauften Fahrten nicht abschrecken zu lassen: Erst wenn dies geschehe, werde ein größeres beziehungsweise zusätzliches Fahrzeug eingesetzt. Es lohnt sich also, weiter nach Fahrten zu schauen.

Internetseiten belastet

Auch bei FlixBus, ein weiteres Busunternehmen das Fahrten ab und nach Friedrichshafen anbietet, befindet sich die Internetauslastung an der Grenze der Kapazitäten. Die Website-Besucher hätten sich bereits um 30 Prozent vermehrt, als der Streik noch in der Gerüchteküche schmorte, wie Pressesprecherin Katharina Fliß erklärt. Seit Dienstag seien es zehnmal so viele Besucher wie sonst. Mitte Oktober beim Streik stiegen die Buchungen bundesweit um 30 Prozent, was ein Umsatzplus von 200 Prozent bedeutete. Viele Busse seien für die Streiktage schon recht voll. Bei Zusatzbussen, die auf ausgebuchten Strecken zum Einsatz kommen sollen, zahle man automatisch den maximalen „Normalpreis“.

Informationen zum Zug- und Ersatzverkehr finden Sie im Internet unter www.schwaebische.de/fn-abfahrt, schwaebische.de/fn-regionalbahn sowie schwaebische.de/fn-bodoplan.

FlixBus fährt täglich eine Fahrt nach München sowie nach Freiburg. Abfahrt ist am Hafen.

MeinFernbus fährt nahezu stündlich nach München, auch mehrere Fahrten täglich nach Freiburg. Los geht es vor dem Seehotel am Bahnhof.


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