Friedrichshafen / sz - Ohne den kurzfristig erkrankten Dirigenten Giovanni Antonini ist das Kammerorchester Basel am Freitagabend angereist, dennoch ist das Konzert mit der phänomenalen Cellistin Sol Gabetta für die Zuhörer im vollen Hugo-Eckener-Saal des Graf-Zeppelin-Hauses in Friedrichshafen ein großartiges Erlebnis geworden.
Dieses Orchester ist so stark und diszipliniert, dass es auch ohne den Dirigenten dessen hohe Ansprüche erfüllt - ohne spürbare Anspannung, nur aufmerksame Blicke verraten die hohe Konzentration. Führerlos waren die Musiker dennoch nicht, denn der norwegische Konzertmeister Andres Kjellberg Nilsson ist nicht nur als Konzertmeister, sondern ebenso als Dirigent gefragt und leitet auch immer wieder das Kammerorchester Basel, das sich seine Dirigenten projektspezifisch heranzieht.
„Das freie Spiel ungebundener Geister“
Antonini hat mit den Basler Musikern bereits die ersten acht Beethoven-Sinfonien eingespielt, er hat auch deren Interpretation der Sinfonie Nr. 4 B-Dur op. 60 geprägt. „Griechisch schlank“ hat Schumann das Werk genannt, das sich von den sie umgebenden Sinfonien abhebt und doch im „freien Spiel ungebundener Geister“ ganz authentisch ist. Klare gegensätzliche Strukturen sind hier Kompositionsprinzip und eben diese Gegensätze heben die Basler ganz prägnant hervor. Tastend setzte der erste Satz ein, rasch führte er zur Klangexplosion.
Immer wieder neu begann das Spiel von Schatten und Licht, von Verstummen und Aufblühen. Kontraste markierten auch den zweiten Satz mit seiner weit ausholenden Kantilene und einem starr pochenden Motiv. Verschiedene Taktarten wetteiferten im Allegro vivace miteinander, fast nahtlos schloss sich zuletzt ein fröhlich flirrendes, ausgelassenes Musizieren an.
Auch wenn Beethovens Ouvertüre zur Ballettmusik „Die Geschöpfe des Prometheus“ dem Fehlen Antoninis zum Opfer fallen sollte, hat sie das bestens disponierte Orchester zuletzt als Zugabe gespielt: stürmisch und furios und noch einmal mit faszinierend seidigem Piano der Streicher, mit glänzenden Bläsern.
Ein besonderes Glanzlicht des Konzerts war natürlich die argentinisch-französisch-russische Cellistin Sol Gabetta, die die Häfler Musikfreunde schon 2009 mit ihrem beseelten Spiel verzaubert hat und weiter gereift ist. Saint-Saëns’ Cellokonzert Nr. 1 a-Moll op. 33 war eines der ersten Konzerte, die sie in Europa gespielt hatte. Es habe sich mit ihr weiterentwickelt, ganz intuitiv gehe sie es heute an, sagt sie. Während sich eingangs mit Gabriel Faurés für Cello und Orchester arrangiertem Lied „Après un rêve“ das Cello sanft ins Gemüt schmeichelte und eine bittersüße Melancholie, ein poetischer Zauber gefangen nahmen, setzte Saint-Saëns’ Cellokonzert mit fiebriger Leidenschaft ein, die überging in süffigen Gesang – kein Instrument kommt der menschlichen Stimme so nah wie das Cello. Dialoge mit einzelnen Instrumenten wechselten mit vollem Orchesterklang, energisch korrespondierte das Cello mit dem Tutti, wurde wieder träumerisch suggestiv, flirrte wie leiser Flügelschlag. Ein unternehmungslustiger Blick ins Orchester und mit Elan ging die Solistin voran bis zum furiosen Finale. Noch einmal durften die Zuhörer dem verführerischen Cello lauschen, als Sol Gabetta Faurés Elégie anstimmte.
Noch zweimal wird Sol Gabetta in dieser Saison im GZH zu Gast sein: am 12. Dezember 2014 mit dem London Philharmonic Orchestra, am 22. Februar 2015 mit Bertrand Chamayou am Klavier.