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Brauchles feiern diamantene Hochzeit

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Friedrichshafen / sz - Sie war 18 Jahre alt, er 29, als sie sich kennenlernten. Am 2. Oktober feiern Elisabeth und Albert Brauchle diamantene Hochzeit.

Er war gekommen, das Teerpapier abzuholen, das im Bauunternehmen Steurer für ihn „hergerichtet“ worden war. Hergerichtet für den Wiederaufbau des Elternhauses, das Albert Brauchle nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft nur noch als Schutt und Asche vorgefunden hat. Die Übergabe des Baumaterials durch die junge „Liesl“ Steurer (die in der Firma des Vaters gearbeitet hat) an den vom Krieg und seinen Folgen beeindruckten jungen Mann, sollte zu einem glücklichen Einschnitt in beider Leben werden. 1954 wurde geheiratet, am 28. August standesamtlich, am 2. Oktober kirchlich. Dem Herrgott sind sie sechs Jahrzehnte später noch dankbar für diese Begegnung.

„Es ist etwas Schönes, wenn eine Hausgemeinschaft Anteil nimmt am Nächsten, nur so kann der Friede aussehen, nur so kann ich jeden Tag zur Tür rausgehen und einen schönen Tag wünschen“, sagen Elisabeth (82) und Albert Brauchle (93) allen Hausmitbewohnern in der Charlottenstraße 49 in einem Aushang, der mit den Worten „Danke, Danke“ schließt.

„Liesl“ und Albert, die jetzt diamantene Hochzeit feiern, sind zwei echte, weil gebürtige Häfler. Albert, einst mit Zeppelinwasser getauft, hat das Reparationsluftschiff beim Start in die USA beobachtet, er hat Claudius Dornier und Luftschiffkapitän Hugo Eckener gekannt und mit Ludwig Dürr im Stadtbahnhof bei der Wirte-Legende Otto Manz Karten gespielt. Von seiner Mutter weiß er, dass die dem Grafen Zeppelin im Schulchor ein Ständchen gesungen hat. Der Vater hat beim Luftschiffbau gearbeitet. Wenige in der Stadt sind von Zeppelin derart infiziert.

Von der Schulbank weg, mit 18 Jahren, war Albert Brauchle über sieben Jahre lang im Krieg und in Gefangenschaft. „Die Sehnsucht nach Freiheit und die Liebe zur Heimat waren stets meine Begleiter“, sagt er. Doch nach der Heimkehr erlebte er ein abermaliges Inferno. Er musste Vater und Mutter aus dem Elternhaus ausgraben. Sie waren beim Bombenangriff auf die Stadt am 28. April 1944 ums Leben gekommen. Sein einziger Bruder war bereits am Weihnachtsabend 1942 in Russland gefallen.

Ein Leben voller Ehrenämter

37 Jahre lang war er Stadtrat, davon 20 Jahre ehrenamtlicher Stellvertreter des OB, 27 Jahre saß er im Kreistag und seinen Ausschüssen, drei Jahre war er Obermeister der Elektroinnung und 30 Jahre Kreishandwerksmeister. 30 Jahre lang war er Mitglied der Vollversammlung der Handwerkskammer Ulm, davon 25 Jahre im Vorstand mit seinem wesentlichen Beitrag für die Bildungsakademie des Handwerks in Friedrichshafen. 27 Jahre war er im Verwaltungsrat der einstigen Kreissparkasse (heute Sparkasse Bodensee), ebenso lang im Regionalverband, und 20 Jahre war er Aufsichtsrat der Technischen Werke Friedrichshafen. Seit 1957 ist er Mitglied der Freien Wähler, längst Ehrenmitglied in Stadt und auf Landesebene.

An Auszeichnungen hat er so ziemlich alles erhalten, was man bekommen kann: Vom Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und dem am Band bis hinunter zu Staufer-Medaille, Ehrennadel des Landes, Ehrenmedaille der Stadt, des Landkreistags, des Freien Wählerverbandes Baden-Württemberg, alle Auszeichnungen des Handwerks oder der Ehrennadel in Gold des Vereins zur Pflege des Volkstums.

Doch er hat all diese Ehrungen nicht etwa im Wohnzimmer hängen. Sie seien „Schall und Rauch, ich wollte ja nur helfen“, sagt der Grandseigneur, und bewahrt sie in einem Korb im Keller auf.

In all den Jahrzehnten hat „Liesl“ Brauchle als ruhender Pol für das florierende Familienmanagement gesorgt, ihrem Mann den Rücken freigehalten und dafür, dass vier wohlerzogene Kinder heranwuchsen. Hans-Peter, Arthur, Stefan und Susanne werden mit den zehn Enkeln und zwei Urenkeln dabei sein, wenn sich heute, also 60 Jahre nach der kirchlichen Trauung am 2. Oktober 1954 in St. Petrus Canisius durch Stadtpfarrer Valentin Mohr, die Familie zu einem gemütlichen Beisammensein trifft. Im Zeppelin-Hangar, wo sonst, vielleicht mit Blick auf den Start eines Nachfolgers der alten Zeppeline.


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