Friedrichshafen / sz - Zusammen sind sie mit dem Wohnmobil durch ganz Europa gedüst: Helge und Frank Runge sind im Juni wieder am See angekommen, nachdem sie 320 Tage unterwegs waren. Elf Monate lang führte die Reise das Ehepaar durch Frankreich, Spanien, nach Marokko und nach Portugal. Insgesamt legten sie 20 000 Kilometer zurück.
Bei ihrer Fahrt planen die beiden 66-Jährigen nicht alles bis ins Detail. Der angedachte Tour-Verlauf ist eher ein roter Faden, entschieden wird von Tag zu Tag, wo der nächste schöne Fleck wartet. Es ist kein Urlaub, sondern „unser Leben“, sagen die Runges.
Der Rentner war lange Vertriebsleiter bei einem großen deutschen Türen-Hersteller. Seine Frau hat ihre Praxis zugemacht um zu reisen und auch mal spontan aufbrechen zu können.
Seit fünf Jahren sind Helge und Frank Runge verheiratet. Davor ist er schon viele Sommer im Wohnmobil in den Urlaub gefahren und hatte immer den Plan, für längere Zeit auf Achse zu gehen. Seine Frau hingegen hat zwar schon viel von der Welt gesehen, aber immer nur mit dem Flugzeug und im Hotel, nie im Wohnwagen.
Doch seit einigen Reisen hat die Heilpraktikerin ihren „Hannibal“ – so der Name des Wohnmobils – sehr lieb gewonnen. Mit Absicht ist das Wohnmobil eher klein. Mit einem größeren Wagen wären manch enge Straßen nicht zu bewältigen.
„Dennoch vermissen wir nichts, wenn wir unterwegs sind“, sagt Helge Runge. „Auch wenn reduziert werden muss“, fügt ihr Mann hinzu. Aber eigentlich sei alles vorhanden: Dusche, Kühlschrank, Küchennische, Heizung, Betten. „Ich schlafe viel lieber hier im Mobil, als in der Wohnung“ sagt die 66-Jährige und strahlt bei dem Gedanken bald wieder loszudüsen. Trotzdem wird es für die nächste Reise eine Änderung geben. Denn nach einigen Monaten hat die Frau des fahrenden Hauses den Fernseher doch schon vermisst. Auch wenn das iPad und der mobile WLAN-Hotspot für Kontakt nach Hause sorgen.
Strom bekommt das Heim auf vier Rädern durch Solarzellen auf dem Dach und der Wassertank reicht für knapp eine Woche. Wasser wird trotzdem überall da geholt, wo es angeboten wird. Neben Handwäsche geben die beiden ihre Sachen in Wäschereien.
Auf engstem Raum und immer aufeinander können auch mal Konflikte entstehen. Oft passiert das dem Paar nicht.„Wir können uns gut riechen“, sagt Frank Runge lachend. Wenn’s doch mal kracht, suchen sie für einen Augenblick Abstand von einander.
Sie liest, er pflegt die Internetseite
Sie hat in der Zeit viele Bücher gelesen, die sie sich auf ihr E-Book geladen hat, während der gelernte Importkaufmann für Holz viel Zeit und Geduld in die Pflege der Internetseite steckt. Dort führt das Paar ein Reisetagebuch.
Alle Ressentiments, um die sich das Paar Gedanken machte, haben sich nicht bewahrheitet. Überall waren die Menschen hilfsbereit, entgegenkommend und freundlich, Einheimische wie auch andere Wohnmobilisten. Auch sonst ist auf ihren Touren nichts passiert. Keine Pannen, keine Überfälle und auch krank geworden sind die beiden nicht. Aus einem Fehler haben sie jedoch gelernt: In Marokko können die Einwohner auch mal ganz schön aufdringlich werden, selbst wenn man sie nur nach dem Weg fragt. Eine Belgierin hat dem Paar dann verraten, dass das Wort „nein“ nicht wirklich Bedeutung hat. Lieber solle man Forderungen „auf morgen“ oder „später“ verschieben, wenn man nicht mehr in Ruhe gelassen wird.
Das Ehepaar ist aber fast nie auf einem Campingplatz, sondern immer in der Natur an schönen Plätzen oder an Wohnmobilstellplätzen. Sie wollen ihr eigenes Ding machen und ihre Freiheit genießen. Sie wirken flexibel und in ihrem Unternehmergeist trotzen sie jeder Herausforderung. Auch im Kopf.
Ihre Wohnung in Fischbach aufzugeben und ganz in Hannibal einzuziehen ist auch ein Thema, welches die Eheleute beschäftigt. Aber wintertauglich ist ihr Zuhause nicht.
Jetzt ist erst mal für 2015 eine Tour durch Polen, Skandinavien, durch die baltischen Staaten und durch Finnland geplant. Kaum abwarten können die zwei Abenteurer ihre nächste Tour.