Friedrichshafen / sz - Im Zepplab im Zeppelin-Museum herrscht Stimmengewirr. Mehrsprachig in Ton und Textform erzählen hier Grenzüberschreiter ihre Geschichten. Auf den Wänden werden Videos von Grenzen, Meerengen, Booten und andere Szenerien gezeigt, manchmal passend zu den Schilderungen, manchmal unpassend – aber nie wird einer der Sprecher gezeigt. Die Videoinstallation der von Carolin Gennermann und Frank-Thorsten Moll kuratierten Ausstellung "Frontiéres fluides - Fließende Grenzen" von Katrin Ströbel (Stuttgart und Nizza) und Mohammed Laouli aus Marokko lässt viele Fragen offen und regt auch über die gezeigten Einzelschicksale hinaus zum Nachdenken an.
Es geht schon bei den Begrifflichkeiten los: Wieso sagen wir auf einmal "Flüchtling" zu jedem, der in unser Land einwandert? Ist dieser Begriff nicht ungeeignet? Überhaupt müsse man beachten, dass jede Gruppe etwas Konstruiertes sei, betont Sozialarbeiter Thomas Köhler, der das Projekt mit einem gesprächsreichen Rahmenprogramm mitbetreut: "Wir müssen wieder mehr hin zur Ich und Du-Perspektive." Genau das möchte die bis 4. Oktober im Zeppelin-Museum gezeigte Ausstellung "Fließende Grenzen" erreichen, sie möchte Schluss mit Gesprächen "über die Flüchtlinge" machen und einen Raum für Gespräche mit anderen Menschen und für Pespektivwechsel öffnen.
Gesprächsräume schaffen
"Ob der Blickwechsel dann auch einen Meinungswechsel bedeutet, das liegt ganz am Betrachter", ergänzt Künstlerin Ströbel, die mit Laouli gemeinsam bewusst vieles öffnen und auch offen lassen möchte. Die beiden stellen in ihrer Arbeit Einzelschicksale über Generalisierung, persönliche Erzählungen über politische Aspekte, eine dokumentarische Darstellung über gezielte Meinungsmache. In einer Videoinstallation kommen Menschen zu Wort, die irgendwie mit den Themen "Grenzübertritte" und "Flucht" in Berührung gekommen sind. Eine junge Männerstimme gehört zu einem sogenannten Schlepper, der neben Drogen auch Menschen über die Meerenge geschmuggelt hat. Als Fischer hineingeboren in eine Welt, in der europäische Großfischer die Meere leergefischt haben, wirkt diese Tätigkeit vielleicht gar nicht mehr so abwegig. Sein Gesicht wird – wie auch das der anderen Interviewten – nicht gezeigt. Dies solle einerseits ganz praktisch dem Schutz der Beteiligten dienen, zum anderen schaffe auch diese Herangehensweise mehr Offenheit. "Es verhindert, dass man nach optischen Merkmalen bereits ein Vorurteil fällen kann."
Das Künstlerduo wird während der Ausstellung persönlich vor Ort sein und auch hier hoffen die beiden auf interessante Gespräche und eine Ergänzung der Videoinstallation um Erzählungen hiesiger Geflüchteter. Dabei sei es ganz wichtig, dass sie nicht die Menschen aufforderten, sich zu äußern, sondern warten würden, bis jemand auf sie zukomme und etwas erzählen wolle. "Das funktioniert nur so herum. Wir arbeiten nur mit dem, was uns zur Verfügung gestellt wird." Die Künstler werden in den kommenden Wochen häufig nahe ihres "nomadisch-instabilen" Hausboots anzutreffen sein und dort weiter an der Wanderausstellung arbeiten.
Köhler möchte überdies mit dem Netzwerk FreiHafen und einem mobilen Sofa am Donnerstag, 17. September, im Rahmen des Kulturtreffs "Open House" und zur Finissage am Sonntag, 4. Oktober, Gesprächsräume öffnen.
Die Ausstellung "Fließende Grenzen" ist ab ihrer Vernissage am 30. Juli um 19 Uhr, die mit Musik, orientalischem Buffet und Gesprächen größtenteils viersprachig auf Arabisch, Französisch, Englisch und Deutsch abgehalten wird, bis zum 4. Oktober im und vorm Zeppelinmuseum zu sehen. Da sie sich im Laufe der Zeit wandeln soll, raten wir zu mehr als einem Besuch.