Friedrichshafen / sz - Eigene Räume im alten Zollamt und Geld der Stadt für hauptamtliche Fraktionsmitarbeiter: Oberbürgermeister Andreas Brand schlägt verschiedene Maßnahmen vor mit dem Ziel, die ehrenamtliche Arbeit im Gemeinderat zu stärken und zu professionalisieren. Stimmen die Räte zu, wird das die Stadt 300000 Euro im Jahr kosten.
Ein "Ja" des Rats gilt als wahrscheinlich, denn die drei Anträge, die der OB am Montag vor der Presse erläutert hat, sollen die Arbeit des Gremiums auf eine neue Grundlage stellen. Feste Mitarbeiter sollen Arbeit der Fraktionen, die bisher in der Freizeit vom Wohnzimmer aus erledigt wurde wie Terminplanung, Recherche oder Pressearbeit, zu üblichen Bürozeiten übernehmen. Dies würde die Volksvertreter entlasten. Zudem würden Fraktionsgeschäftsführer, die im Idealfall über politischen Hintergrund verfügen und mit Juristerei oder Verwaltungsrecht vertraut sind, die Arbeit der Räte mit professionellem Wissen unterstützen.
So sieht das Konzept des OB aus: Zunächst sollen die Fraktionen (CDU, Freie Wähler, SPD, Grüne, ÖDP/Linke) und die Gruppe der FDP ab Anfang Mai im alten Zollamt in der Schanzstraße je einen Büroraum und Besprechungszimmer erhalten. Das Haus, das auch die Verwaltung nutzen wird, ist nur eine Zwischenlösung, weil das Areal neu gestaltet und dort ein Anziehungspunkt für die Innenstadt geschaffen werden soll. Doch auch ohne das Gebäude sollen die Fraktionen dauerhaft Anspruch auf eigene Räume haben.
Weiterer Baustein ist ein Personalbudget, das die Stadt den Fraktionen zur Verfügung stellen will. Der Antrag, über den der Gemeinderat am Montag abstimmen wird, sieht hierfür 235000 Euro vor, was 3,45 neuen Stellen entspricht. Verteilt werden soll das Geld nach Fraktionsstärke: CDU (zwölf Räte) 70500 Euro, FW (neun Räte) 53875 Euro, SPD (acht) 47000 Euro, Grüne (sechs) 35250, ÖDP/Linke 17625, FDP 11750.
Mitarbeiter bei Fraktion angestellt
Von diesem Geld können die Fraktionen einen oder mehrere Mitarbeiter einstellen. Wird der Betrag nicht ausgeschöpft, fließt der Rest ins allgemeine Fraktionsbudget, das ansonsten unberührt bleibt. Es sieht 1350 Euro pro Fraktion plus 260 Euro pro Fraktionsmitglied im Jahr vor. Damit werden zum Beispiel Fortbildungen und Bürokosten beglichen.
Schließlich wird der OB beantragen, die Entschädigung für die Mitglieder des Stiftungsrats (im Moment die Vorsitzenden der vier großen Fraktionen) von 150 auf 300 Euro im Monat und die Pauschalvergütungen für Aufsichtsräte von Unternehmen, an denen die Stadt beteiligt ist (zum Beispiel Flughafen, Klinikum oder Messe), zu erhöhen. Einfache Mitglieder sollen demnach 300 Euro pro Monat erhalten. Bisher sind es meist 200 Euro.
OB und Räte dürfen von diesem Geld übrigens nur 6100 Euro im Jahr behalten und müssen dafür Steuern bezahlen. Liegt der Betrag darüber, fließt die Differenz in die Stadtkasse.
OB Brand sagte, die Stadt sei "in der Pflicht und der Verantwortung", den Ratsfraktionen professionelle Arbeit zu ermöglichen. Die jetzt vorliegenden Anträge seien der Bedeutung der Aufgabe in einer Stadt wie Friedrichshafen angemessen.
Auch kritische Stimmen zu hören
Von den Fraktionen kommt Zustimmung. Bei den Freien Wählern gibt es aber auch kritische Stimmen, denen die Entlohnung der künftigen Fraktionsmitarbeiter zu üppig erscheint.
Das verdient ein Rat
Ratsmitgliedschaft: 250 Euro/Monat – Fraktionsvorsitz: 400 Euro/Monat plus 15 Euro pro Fraktionsmitglied – Mitglied in einem Ausschuss: 50 Euro/Monat (15 Euro bei nur beratendem Gremium) – Mitarbeit in einem Preisgericht: 150 Euro pro Tag (beziehungsweise 250 Euro, falls die Sitzung länger als fünf Stunden dauert) – Mitarbeit in vom Gemeinderat eingerichtetem Gremium (zum Beispiel in der Schulkommission): 60 Euro pro Sitzung
Die durchschnittliche Entschädigung pro Gemeinderat beträgt im Monat rund 315 Euro.