Friedrichshafen / sz - Seit 2008 bildet das Mannheimer Institut für Integration und interreligiösen Dialog Seelsorger aus, die muslimische Patienten in deutschen Krankenhäusern betreuen. Am Klinikum Friedrichshafen wird dieses Angebot nicht benötigt. Institutssprecher Alfred Miess vermutet, dass der hiesige türkische Kulturverein die muslimischen Seelsorger verhindert.
190 Stunden für Unterricht, 80 Stunden für Praktika und 180 Euro Teilnahmegebühr – das muss investieren, wer sich am Institut für Integration und interreligiösen Dialog zum muslimischen Seelsorger ausbilden lassen will. Lehrinhalte: Organisation im Krankenhaus, islamische Grundlagen von Seelsorge, Umgang mit Krankheit, Leid und Tod, Gesprächsführung mit kranken Menschen und ihren Angehörigen. Ausgewählt werden die Teilnehmer nach einen Bewerbungsgespräch. Das Ziel des Programms, das auch von der Landesregierung gefördert wird: Begleitung von kranken Menschen durch Seelsorger, die ihre Sprache sprechen, die den kulturellen Hintergrund verinnerlicht haben und – ganz wichtig – praktische Lebenshilfe leisten können.
Genau daran hapere es nämlich derzeit in der Seelsorge bei muslimischen Patienten, findet Alfred Miess, Sprecher des Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog. "In der Regel übernehmen Imame die Seesorge. Die sprechen jedoch oft kein Deutsch. Imame haben einen religiöse Ausbildung, ihnen fehlt aber der psychosoziale Hintergrund", sagt Miess. "Das sind sicher hervorragende Theologen – mit unseren Seelsorgern kann man aber auch über alle Themen sprechen, die außerhalb der Religion liegen." Zum Beispiel über Ängste bei medizinischen Untersuchungen oder über eine mögliche Unterstützung durch Behörden oder Ämter.
Miess berichtet, dass das Mannheimer Institut vor zirka einem Jahr auch dem Klinikum Friedrichshafen sein Konzept vorgestellt habe. "Ich hatte den Eindruck, dass man grundsätzlich zugeneigt sei", sagt Miess, "und ich bin davon ausgegangen, dass es zur Entsendung von Seelsorger kommt". Dazu kam’s aber nicht – und Miess glaubt, dass der örtliche Moschee-Verein das Projekt blockiert hat. "Man hat das Klinikum dahingehend bedrängt, dass Imame die Seelsorge gewährleisten können."
"Es ist gut so, wie es ist."
Johannes Weindel, Chef des Klinikums, lässt über seine Pressesprecherin ausrichten, dass hinsichtlich muslimischer Seelsorge "nichts an uns herangetragen wurde". Beim Klinikum in Friedrichshafen würden muslimische Patienten von der hiesigen Gemeinde betreut – und zwar gut, wie Weindel findet. Veränderungsbedarf sieht er keinen und stellt klar: "Es ist gut so, wie es ist."
Emel Coban, Sprecherin des hiesigen Türkisch-Islamischen Kulturvereins, weist den Vorwurf, das Engagement der Mannheimer hintertrieben zu haben, energisch zurück. Sie betont, dass der Verein natürlich nicht grundsätzlich nein zur einer Dienstleistung sage, wenn sie denn der Verbesserung des Betreuungsangebots diene. Im Moment, sagt Coban, sieht sie den Verein in der Seelsorge jedoch "sehr gut aufgestellt". Es gebe nicht nur die Imame, sondern auch viele engagierte Frauen, die Patienten besuchen.