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"Zuwanderung besser regeln"

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Friedrichshafen / sz - Die Wahl des Landrats steht am Dienstag auf der Tagesordnung des Kreistags, das Ergebnis ist längst klar: Weil Lothar Wölfle der einzige Kandidat ist, wird der alte auch der neue Amtsinhaber sein. SZ-Redakteur Ralf Schäfer hat mit ihm über aktuelle Themen gesprochen, die den Bodenseekreis bewegen und dabei erfahren, dass die Asylbewerberproblematik Lothar Wölfle alles andere als kalt lässt.

Wir haben Fastenzeit, auf was verzichten Sie denn gerade?

Auf Alkohol und Süßigkeiten. Ich bevorzuge den Weißwein der Region und Rotwein aus Frankreich, Italien und Spanien. Darauf zu verzichten, hat für mich auch etwas mit Selbstdisziplin zu tun.

Sie treten als einziger Kandidat am Dienstag an, wenn es im Kreistag um den Posten des Landrates geht. Ist das nicht langweilig?

Nicht im Geringsten. Ich habe großen Respekt vor dieser Wahl. Dabei geht es schließlich auch darum, wie gewählt wird. Da hoffe ich schon auf eine Bestätigung und Rückendeckung auch nach außen. Ich habe das Gespräch mit allen Fraktionen gesucht und hoffe jetzt auf ein gutes Ergebnis.

Ein großes Thema dieser Tage ist die Asylproblematik. Woher nimmt der Landkreis die Unterkünfte?

Kein Thema hat mich je so beschäftigt wie Asyl. Es lässt mich menschlich ganz und gar nicht kalt und ist ein sehr emotionales Thema. Was die Suche nach Unterkünften angeht, so habe ich allergrößten Respekt vor unseren Mitarbeitern im Bau- und Liegenschaftsamt. Die bekommen eine täglich aktualisierte Liste, auf der sie 60 bis 70 Objekte abarbeiten müssen. Und da ist es manchmal schon frustrierend, wenn es kurz vor Abschluss doch keine Genehmigung für die Bauvoranfrage gibt oder sich andere Hindernisse auftun. Es wird enger. Wir haben einen Plan B mit der Belegung von Turnhallen in der Tasche, den wollen wir aber möglichst nicht nutzen. Es gibt vielmehr einige Stellschrauben, die die Lage verbessern könnten. Da ist zum einen die geänderte Baunutzungsverordnung, nach der wir jetzt auch in Gewerbegebieten Objekte nutzen könnten. Zum anderen müsste das Land konsequenter in der Bearbeitung der abgelehnten Asylanträge sein. 2014 sind über 12000 Asylanträge im Land abgelehnt worden, die Menschen kamen überwiegend aus sicheren Drittstaaten. Abschiebungen waren aber nur rund 2500 geplant, von denen rund 1600 gar nicht umgesetzt wurden. Wir haben etwa 30 Prozent Asylsuchende, die aus diesen sicheren Drittstaaten kommen, und die werden zu fast 99 Prozent abgelehnt. 30 Prozent weniger Flüchtlinge würde auf Landkreisebene die Angelegenheit deutlich entschärfen. Das Asylrecht ist für politisch Verfolgte. Es wird aber oft als Weg der Zuwanderung genutzt. Wir müssen die Zuwanderung besser regeln, um das zu verhindern. Wir brauchen schon allein aus wirtschaftlichen Gründen Zuwanderung, die aber nicht über die Asylschiene laufen darf.

Ein weiteres Phänomen sind im Landkreis die steigenden Sozialausgaben. Wie sind die bei beinahe nicht vorhandener Jugendarbeitslosigkeit, einem gut funktionierenden Jobcenter und anderen vorbildlichen Einrichtungen zu verstehen?

Wir haben sinkende Ausgaben beim Jobcenter. Das ist auf eine gesunde Wirtschaftslage und gute Arbeit des Personals im Jobcenter zurückzuführen. Wir haben auch sinkende Ausgaben bei der Jugendhilfe. Was Geld kostet, sind die steigenden Aufwendungen vor allem für die Behindertenhilfe. Dabei gibt es auch freiwillige Aufgaben, für die wir uns aber verpflichtet sehen, und sie sparen unter dem Strich auch Geld, weil wir damit präventiv arbeiten. Nicht zuletzt ist im Falle der Hilfen für Menschen mit Behinderung da auch die Tatsache verantwortlich, dass diese Menschen älter werden. Durch die Euthanasie der Nazis hatten wir bislang nur sehr, sehr wenige alte Menschen mit Behinderung. Das ist jetzt anders. Auch hier ist eine demografische Entwicklung zu beobachten, die zu Mehrausgaben führt. Andererseits hat der Landkreis schon vor Jahren mit der Hilfeplankonferenz ein Mittel eingeführt, das nicht nur vorbildlich ist, sondern auch nachhaltige finanzielle Vorteile mit sich bringen kann. Den Menschen wird optimal geholfen und unter dem Strich wird diese Hilfe günstiger, weil sie individuell und sinnvoll geplant ist.

Kommen wir mal zu einem Thema vor der Haustüre. Als Sie damals antraten, haben sie mehr Parkplätze vor dem Landratsamt versprochen. Was ist daraus geworden?

Wir haben auch mithilfe der Stadt Friedrichshafen rund 35 zusätzliche Plätze schaffen können. Das reicht aber nicht aus. Mit Oberbürgermeister Andreas Brand habe ich bereits besprochen, ob auf einem kreiseigenen Grundstück an der Glärnischstraße nicht eine Tiefgarage entstehen könnte. Die dortige Hanglage bietet sich dafür geradezu an.Wir haben unsere Ideen der Stadt mitgeteilt und wollen diese in Gesprächen mit dem OB in den nächsten Wochen erörtern. Ansonsten ermutigen wir immer wieder Mitarbeiter, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren. Es gab schon mal ein Jobticket, über dessen Reaktivierung wir nachdenken und mit den ÖPNV-Betrieben sprechen wollen.

Bleiben wir mal beim Thema Verkehr. Freuen Sie sich auf Ihre Moderatorenrolle in Sachen B31-Bau zwischen Immenstaad und Überlingen?

Das mache ich jetzt schon seit anderthalb Jahren, und es wird eine Herausforderung bleiben. Immenstaad, Hagnau, Stetten, Meersburg und Markdorf sitzen mit ihren Bürgermeistern mit am Tisch. Das ist eine sehr heterogene Runde, in der es verschiedene Vorstellungen und Meinungen gibt. Wenn jedoch bald geplant wird, wird es auch ein Ergebnis geben, und das sollte von allen getragen werden.

In Ihrer ersten Amtsperiode war der Schuldenabbau Thema Nummer eins bei Ihnen. Welchen Schwerpunkt wollen Sie in der zweiten Amtszeit setzen?

Das wird der Schuldenabbau unter anderem bleiben. Der Landkreis hat über 30 Millionen Euro Schulden und zahlt dafür zwei Millionen Zinsen. Das ist zu viel. Ferner aber liegt mir die Entwicklung der beruflichen Schulen am Herzen. Wie müssen die duale Ausbildung fördern. Ich sehe ganz konkret eine Gefahr darin, dass Handwerksberufe in ländlichen Gebieten aussterben, weil entsprechende Berufsschulangebote nicht mehr nachgefragt werden. Das darf nicht sein. Ich will die Bildungslandschaft und damit die Ausbildungsstruktur vor allem im Handwerk erhalten.

Was war der erhebendste Moment oder das wichtigste Ereignis in Ihrer ersten Amtszeit?

Da gibt es keine einzelnen Themen. Immer wieder gibt es hier Höhepunkte, die sehr wichtig sind. Riesig gefreut habe ich mich aber, dass der Kreistag zu einer einstimmigen Zustimmung für die beschützende Einrichtung für Frauen, das Frauenhaus, gekommen ist, nachdem es wohl bei früheren Beratungen dazu sehr kontroverse Debatten gegeben hat. Das zeigt die gute Diskussionskultur im Kreistag.


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