Friedrichshafen / sz - Haben Sie schon das 6er? Ob iPhone, iPad oder iPod – sie sind allgegenwärtig, sie sind Kult, man will sie haben. Auch der amerikanische Künstler und Autor Mike Daisey war AppleFreak, ehe er 2010 nach Recherchen in China mit seinem Monolog "Die Agonie und die Ekstase des Steve Jobs" auf die Bühne kam. Mit der Deutschen Erstaufführung ist das Schauspielhaus Dortmund am Dienstagabend in den Kiesel gekommen: eine Glanzleistung des Schauspielers Andreas Beck.
Auf der Bühne weckt eine metallene Regalwand Garagenatmosphäre. Die Fächer sind vollgestopft mit Schachteln "Made in China", davor hängen Bilder, angeklammert an Schnüre: Häusermonster, dazwischen aufgespannte Fangnetze. Davor ein alter Holztisch, eine Lampe, ein Schreibtischstuhl, ein Kaffeebecher. Mit den ersten Sätzen vergisst man, dass Andreas Beck der Schauspieler ist, so direkt spricht er zu den Zuhörern, geht auf sie zu. Mit magischer Kraft zieht er hinein in den Monolog, als wär’s allein sein Text, seine Erfahrung. Mit ihm zittert man vor Ungeduld, wenn es gilt, wieder ein Gerät auszupacken, von dem man gestern noch nicht gewusst hat, dass es das gibt, und das man doch sofort haben muss. Die Augen blitzen, der Schweiß läuft ihm von der Stirn, wieder und wieder der Griff zum Handtuch, dann der automatische Griff zum Kaffeebecher, der auch mal unverrichteter Dinge wieder abgesetzt wird. Nur was er erzählt, zählt. "Ich liebe Technik, liebe den Geruch eines neuen Geräts."
Kritik an Arbeitsbedingungen
Er outet sich als Apple-Freak, als Apple-Jünger: "Auch ich habe vor seinem Thron gekniet." Damit kommt der Gründer Steve Jobs ins Spiel. Der Monolog wird zum Aufklärungstheater, rekapituliert die Aufstiegsgeschichte des Konzerns, die Zusammenarbeit mit Steve Wozniak: Jobs, der Unternehmer, und Wozniak, der geniale Programmierer. Doch der Monolog führt auch nach China, in die 14-Millionen-Sonderwirtschaftszone Shenzhen, wo Foxconn, der wichtigste Zulieferer von Apple, aber auch von Sony oder Samsung, sitzt und die Arbeiter auspresst.
Daisey ist selbst hingereist, hat die Arbeitsbedingungen erlebt. Er wurde angegriffen, weil er Beispiele hinzuerfunden hat, die er inzwischen gestrichen hat, die auch in der Dortmunder Fassung gestrichen sind. Es ändert nichts an der Frage, die der Monolog stellt: Wir alle wissen von diesen Missständen, wissen, dass man die Bedingungen verbessern könnte, aber es geschieht nichts – außer den Fangnetzen, die weitere Selbstmorde verhindern sollen. Der Vorwurf steht im Raum, so wie auch die Feststellung, welche Abhängigkeiten der Konzern aufbaut. So ist das Stück auf weite Strecken höchst vergnüglich, andererseits entlässt es einen auch sehr nachdenklich.