Friedrichshafen / sz - Als dramatisches Schauspiel-Solo hat die Schauspielerin Cora Chilcott Georg Büchners Erzählung "Lenz" auf die Bühne im Kiesel gebracht. Ihre Interpretation des Stücks gibt sich einfühlsam und ergreifend.
Ein Holztisch und ein Stuhl genügen als Kulisse, das Drama spielt sich auf den lebhaften Zügen der Spielerin ab. Mit blassem Gesicht, wirrem Haar und sprechenden Augen entwirft sie das beklemmende Porträt des schizophrenen, von Angst und Wahnsinn gejagten Dichters, dessen mehrtägigen Aufenthalt im elsässischen Steintal, den Pfarrer Johann Friedrich Oberlin festgehalten hat.
Verfremdet durch Dramatisierung
Gebückt geht sie zum Tisch, den Blick ins Leere gerichtet, kauert sich auf dem Tisch zusammen. Lange fällt kein Wort, mühsam sind die Bewegungen.
Als lese Lenz selbst die Beschreibung, liest sie daraus, atemlos, stockend, mit flackerndem Blick. Dann legt sie das Papier zur Seite, spricht weiter, nach Worten ringend. Begeisterung begleitet die Naturbeschreibung, doch bald schon holt den Dichter wieder die namenlose Angst ein, "als jage der Wahnsinn auf Rossen hinter ihm".
Auf Cora Chilcotts offenem Gesicht wetterleuchtet Lenzens Schwanken zwischen Hoffnung und Resignation. Emphatisch steigert sie sich in das vergegenwärtigte Erleben, hält wieder inne, lässt Worte nachklingen.
Büchners "Lenz"– verfremdet durch Dramatisierung, durch eine Erzählerin, die sich hineinversetzt in den kranken Dichter, dessen Erleben Oberlin schildert. Wie wenn sie selbst Lenzens schwankenden Gemütszustand, sein Leben zwischen todesbanger Existenzangst und kurzen Phasen der Geborgenheit, der Hoffnung auf Ruhe und Heilung noch einmal schmerzlich durchlebte. Fast körperlich spürt man, wie nächtens die Bedrängnisse von Lenz Besitz ergreifen, wie sein Geist sich verwirrt.
Mit einem Schrei lehnt dieser Lenz Oberlins Mahnung, Trost in Gott zu suchen, ab. Mit nächtlichem Winseln denkt er an die verlorene Friederike, dann wieder der tiefe Seufzer: "Wenn ich nur unterscheiden könnte, ob ich träume oder wache." Tonlos liest Chilcott zuletzt, wie Lenz nach Straßburg gebracht wird, teilnahmslos, mit "entsetzlicher Leere in ihm". Das Dasein ist Lenz nur noch eine Last, doch er wird weiterleben, unstet, zerschlagen, gedemütigt, bis er 41-jährig auf einer Straße in Moskau sterben wird.
Cora Chilcott hat die Vorlage einfühlsam interpretiert, eine ergreifende Leistung. Dabei wird der Wunsch stärker, die Novelle selbst zu lesen, Büchners Impressionen ganz ohne Ablenkung auf sich wirken zu lassen.