Friedrichshafen / sz - Ist Ihnen Weihnachten lieb? Dann lesen Sie lieber nicht den folgenden Text, den der böse Gehilfe des Nikolaus geschrieben hat.
Lange vor der heiligen Nacht wirft das besinnliche Fest seine besinnungslosen Schatten voraus: Das Radio hämmert uns gefräßige Weihnachtswürmer in die Ohrmuscheln, das Fernsehen fordert mit dem ewig gleichen Restfilmschrott den guten Geschmack bis zum Brechreiz, und an jeder Straßenecke lungern Zimt- und Glühweinmoleküle herum, um ungeschützten Riechorganen aufzulauern.
Oh, Du nervtötende Weihnachtszeit, ich hasse Dich und Deine Schatten.
Kaum haben die Menschen ihre kurzen gegen lange Hosen ausgetauscht, da schmunzeln schon hämisch die Schokoladennikoläuse in den Supermarktregalen. Und irgendwann werden wir schwach und kaufen all den Blödsinn, den uns die Süßwarenhersteller hinstellen, nur um uns einen Funken Liebe zu erkaufen – von Eltern, von Geschwistern, von Kindern, von Partnern, von Nachbarn, egal. Wir verschenken rot-gold-weiß-glitzernde Süßigkeiten und sagen frohe Weihnacht.
Oh, Du heuchlerische Weihnachtszeit, ich hasse Dich und Deine Süßigkeiten.
In allen Geschäften ködern die Prozente. Zu keiner anderen Zeit scheint die Welt so käuflich zu sein wie an Weihnachten: Auf Advent reimt sich nun mal Prozent. Lieb sind mir an Weihnachten die Tankstellen. Sie verteidigen die wirtschaftliche Vernunft inmitten des Geschenkewahnsinns. Dem Ölpreis ist Weihnachten egal. Tankstellen sind der Gegenentwurf der Weihnachtsmärkte. Sie verkaufen nur das, was der Mensch sonntagsabends braucht: Benzin, Alkohol und Tiefkühlpizzas.
Oh, du käufliche Weihnachtszeit, ich hasse Dich und Deine Rabatte.
Die vier Wochen bis Weihnachten sind doch nur dem erträglich, der sie durch Kinderaugen betrachten kann. Es mag sein, dass sich der Zauber der Weihnacht wie ein Virus tröpfchenweise über Zuckerwatte auf Erwachsene überträgt. Aber warum müssen die Infizierten alle ihre Krankheit derart öffentlich zur Schau stellen? Zum Beispiel mit einem verbrauchten Steinzeitbrauch: Einem geschmückten Christbaum, der an Funktionslosigkeit kaum zu überbieten und an Hässlichkeit kaum zu unterbieten ist. Das einzig Lobenswerte an einem Christbaum ist das Christbaumloben. Denn der Schnaps betäubt die Sinne und desinfiziert die Seele zugleich.
Oh, Du grässliche Weihnachtszeit, ich hasse Dich und Deine Christbaumkugeln.
Öffnen Sie die Augen, sagt Ihnen der böse Hassknecht Ruprecht, und Sie werden feststellen: Es gibt keine Zeit, die unweihnachtlicher geworden ist als die Weihnachtszeit. Und es gibt keinen Ort, der dem wahren Gedanken von Weihnachten weniger entspricht als der Weihnachtsmarkt. Geld für Süßigkeiten, Fett, Fleisch und Schnaps und allerhand Tand geben die Menschen schneller aus als fürs Fitnessstudio. Die Kirchen werden jedes Jahr leerer und die Weihnachtsmärkte jedes Jahr voller. Was sagt Ihnen das über Weihnachten? Eben.
Oh, Du feuchtfröhliche, oh, Du sattselige, oh, Du gnadenlose Weihnachtszeit.
Wer hasst Dich nicht?