Friedrichshafen / sz - Eine Chance für ZF und die Zeppelin-Stiftung - so bewertet Oberbürgermeister Andreas Brand die bevorstehende Übernahme des US-Konzerns TWR.
Im Gespräch mit Martin Hennings kündigt er zudem neue Strukturen für den Tourismus an und widerspricht der Behauptung, er würde zu oft die Notbremse ziehen.
Herr Brand, ZF wird für 9,5 Milliarden Euro den US-Konzern TRW übernehmen. Man spricht von Krediten für den Deal in einer Größenordnung von etwa 7,5 Milliarden Euro. Auch wenn Sie als Oberbürgermeister einer großen und reichen Stadt den Umgang mit üppigen Summen kennen: Wird ihnen angesichts dieser Dimension nicht manchmal schwindlig?
Nein. Wir haben die Transaktion in den zuständigen und dafür kompetenten Gremien, vor allem im Aufsichtsrat, mit einem Höchstmaß an Seriosität, Gründlichkeit und Verantwortungsbewusstsein geprüft und befürwortet. Ja, es geht um sehr viel Geld. Aber wir erhalten dafür ein kerngesundes und profitables Unternehmen, das ZF hervorragend ergänzt. Wir haben dem ZF-Vorstand alle erforderlichen Fragen gestellt, durchaus auch kritische, und es gab klare, präzise Antworten. Der Stiftungsrat der Zeppelin-Stiftung und der Gemeinderat waren in den Entscheidungs- und Informationsprozess eingebunden, zusammen mit unserem ZF-Miteigentümer, der Ulderup-Stiftung. Natürlich sehen wir die Herausforderungen, vor der wir stehen. Wir sehen aber auch die Chancen für die ZF und damit auch für die Zeppelin-Stiftung....
...der 93,6 Prozent der ZF Friedrichshafen AG gehören. Welche Ziele verfolgen Sie als Vertreter der Stiftung mit dem Projekt?
Wir wollen das Vermögen der Stiftung langfristig sichern und ausbauen. Mit der Übernahme von TRW stellen wir ZF auf eine breitere Basis. Wir übernehmen ein anerkanntes Unternehmen mit neuen Produkten, die unsere Produkte strategisch und langfristig hervorragend ergänzen. Übrigens wertet die Übernahme auch den Standort Friedrichshafen und die ganze Region auf. Friedrichshafen bleibt Produktionsstandort und Sitz eines Weltkonzerns.
Die Öffentlichkeit hat der TRW-Deal sehr überrascht. Sie auch?
Nein, die Entscheidung zur Übernahme ist aus einer klaren Strategie des ZF-Vorstandes und seines Vorsitzenden Dr. Stefan Sommer entstanden. Dieser Prozess hat seine Zeit benötigt, und die Vertreter der Eigentümer waren zu jedem Zeitpunkt eingebunden.
Werden sich die Strukturen der Zeppelin-Stiftung ändern?
Im wesentlichen nicht. Der Gemeinderat wird wie bisher auch weiterhin den Jahresabschluss der ZF beschließen und die dafür nach Aktienrecht formal erforderlichen Beschlüsse treffen. Sicher werden wir uns bei der Stiftungsverwaltung auch den Herausforderungen stellen. Personell sollten wir da etwas aufstocken.
Und was passiert mit der Dividende, die in den letzten Jahren bei 30 Millionen Euro lag? Heißt doppelter Umsatz auch doppelte Ausschüttung?
Die Zeppelin-Stiftung äußert sich, wenn überhaupt, traditionell nur im Rahmen der Bilanzsitzung zur Dividendenpolitik.
Ein ganz anderes Thema: das Untreuesystem bei der Tourist-Info der Stadt und die Folgen. Viele denken, die von der Stadt mitgeteilten kriminellen Tricksereien mit einem Schaden von rund 300000 Euro seien nur die Spitze eines Eisbergs?
Ich gehe zum heutigen Zeitpunkt davon aus, dass alles aufgedeckt ist. Die letzten Wochen waren von interner Aufarbeitung geprägt. Wesentlich neue Erkenntnisse und Sachverhalte zur Tourist-Info gab es dabei nicht. Jetzt muss man abwarten, was die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen ergeben.
Was passiert mit der Tourist-Info?
Zunächst leisten meine Mitarbeiterinnen eine engagierte und nach vorne gerichtet Arbeit. Von mir wird es im ersten Quartal 2015 Vorschläge zur Weiterentwicklung des Tourismus in unserer Stadt geben. Das schließt Organisation, Strukturen und Änderung der Verantwortlichkeiten ein. Wir diskutieren und entwickeln diese sowohl mit unseren Mitarbeiterinnen, als auch mit dem notwendigen Blick von außen. So wie es war, kann und wird es nicht bleiben. Diesen Schluss ziehe ich aus den Vorgängen.
Hat man da nicht richtig hingeschaut?
Die Gemeindeprüfungsanstalt – das ist unsere oberste unabhängige kommunale Prüfungsbehörde – wird im Rahmen ihrer turnusmäßigen Prüfungen ab Mitte Dezember auch einen Blick auf die Strukturen und die Organisation im Bereich Tourismus werfen. Da werde ich nicht öffentlich spekulieren. Aber eines ist klar: Meine ehrlichen Mitarbeiterinnen der Tourist-Info verdienen es nicht, das Fehlverhalten und die kriminelle Energie anderer verantworten zu müssen.
Immer wieder hat die Öffentlichkeit den Eindruck, dass der Oberbürgermeister Andreas Brand Aktivitäten der eigenen Verwaltung ausbremst, zum Beispiel Projekte, die schon laufen, zur Chefsache macht. Müssen Sie öfter die Notbremse ziehen?
Notbremse? Haben Sie den Eindruck, unser Tempo ist zu langsam? Nein, ganz im Gegenteil, wir sind mit hohem Tempo verantwortungsbewusst unterwegs. Schauen Sie auf unsere Vorhaben und Projekte, die teils jahrzehntelang diskutiert wurden. Wir setzen sie aufs Gleis und verwirklichen sie. Mehrzweckhalle Kluftern, Baugebiet und Bildungshaus Berg, Schulumbau in Kluftern, Hallenbau in Ailingen, unsere beiden Bäderprojekte, der jahrelang diskutierte Seehasenfundus oder unser Zukunftsprojekt Karl-Olga-Park, um nur einige zu nennen. Als OB trage ich die Gesamtverantwortung. Dafür haben mich die Bürger gewählt. Bei so vielen Herausforderungen und Komplexität gilt es, wieder das Bedürfnis nach Orientierung auszufüllen, und bedarf es einer Überprüfung des Rahmens, in zeitlicher, inhaltlicher und finanzieller Hinsicht. Diese Aufgaben nehme ich wahr. Und wir fragen uns auch, was ist politisch durchsetzbar und was findet Akzeptanz in der Bürgerschaft.