Friedrichshafen / sz - „Pflichterfüllung“ und ein „analytischer Zugang zur Politik“ – diese Begrifflichkeiten fallen dem Landtagsabgeordneten Ulrich Müller ein, wenn er auf sein politisches Leben zurückblickt. Anlass, dies zusammen mit der Schwäbischen Zeitung zu tun, ist der 70. Geburtstag, den der CDU-Politiker am Donnerstag feiert.
Einkommen, Ansehen, „Work-Life-Balance“ – all das seien für ihn keine Triebfedern gewesen, sagt Müller, sondern die Frage: „Wo ruft die Aufgabe?“ Wenn er dann diesem Ruf gefolgt sei – als Abgeordneter, Staatssekretär oder Minister -, dann habe er sich bemüht, nicht Moden nachzulaufen oder aus dem Bauch heraus Politik zu machen, sondern analytisch vorzugehen, an der Sache orientiert. Es liegt in der Natur des politischen Geschäfts, dass Freund und Feind die Ergebnisse dieses Bemühens unterschiedlich bewerten. Als Politiker jedenfalls war Ulrich Müller erfolgreich. Unter anderem verantwortete er von 1998 bis 2004 als Umwelt- und Verkehrsminister Baden-Württembergs den größten Einzeletat des Landes.
Als der in Schwäbisch Hall geborene und in Bayern aufgewachsene Müller politisch geprägt wird, ist der Kalte Krieg in vollem Gange. 1962 tritt er in die Junge Union ein, ein Jahr nach dem Mauerbau, ein Jahr vor der Kuba-Krise. Auch die Studentenrevolte der 68er treibt den Juristen um, aber nicht nach links. Er geht lieber für zwei Jahre zur Bundeswehr. Aufgabe: psychologische Kriegsführung. Erste berufliche Station ist 1975 der arbeitgebernahe Wirtschaftsrat der CDU. Nach zwei Jahren wechselt er ins Staatsministerium nach Stuttgart und erlebt dort den Wechsel von Filbinger zu Späth. Eine Erfahrung, die er aus dieser Zeit mitnimmt: Politische Macht ist vergänglich. „Es galt das Motto: Der König ist tot. Es lebe der König.“
Nach einer Station als Berater der CDU-Landtagsfraktion wird er angesprochen, ob der sich den Posten des Hauptgeschäftsführers der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben vorstellen kann. Müller kann, auch weil er mit Ende 30 überlegt, ob er dauerhaft in Stuttgart leben möchte. Mit seiner Frau Sylvie hat er zu dem Zeitpunkt schon zwei Kinder, zwei weitere werden folgen. Oberschwaben reizt ihn, diese „Mischung aus Schwaben und Bayern“, wie er es nennt. Zudem reizen ihn Gestaltungsfreiheit und Handlungsmöglichkeiten des IHK-Jobs. Bis 1996 bleibt er bei der Kammer, auch wenn er schon 1992 als Abgeordneter für den Bodenseekreis in den Landtag einzieht.
80-Stunden-Woche inklusive
Das Amt bei der IHK gibt er auf, als ihn Erwin Teufel als Staatssekretär in die Landesregierung holt. Zwei Jahre später ist er Minister für Umwelt und Verkehr. Er bekleidet das Amt bis 2004, als er freiwillig ausscheidet. Zum einen sei er acht Jahre lang in der Regierung gewesen, erklärt er, immer auf dem Präsentierteller, 80-Stunden-Woche inklusive. Zum anderen habe er rund um den Abtritt Teufels nicht zum Spielball werden wollen.
Unfreiwillig ist der Einschnitt, den das Jahr 2011 Müller und der Landes-CDU beschert: Nach Jahrzehnten an der Macht sitzen die Christdemokraten auf der Oppositionsbank. Das sei ungemütlich, räumt Müller ein, auch wenn er „ganz abstrakt“ zugibt, dass ein Regierungswechsel „pädagogische Wirkung für alle Beteiligten haben kann“. Der Regierungswechsel 2016 sei klares Ziel, auch wenn er selbst längst mitgeteilt hat, dass er nach 24 Jahren im Landtag nicht noch mal antreten wird.
Informationen an Stefan Mappus
Tiefpunkt seiner Karriere: der Rückzug vom Vorsitz des EnBW-Untersuchungsausschusses. Es hatte seinem politischen Ziehsohn und Ex-Regierungschef Stefan Mappus übers normale Maß hinaus über die Ausschussarbeit informiert. Er sagt dazu: „Ich glaube nicht, dass man die Biografie Ulrich Müllers auf dieses Thema reduzieren kann.“
Seinen Geburtstag nennt der CDU-Politiker „nix B’sonderes“. Eine Zahl sei kein Einschnitt. Sollten irgendwann mal „Enkel anrollen“, werde das sicher viel bedeutender sein. Überhaupt sei es jetzt noch zu früh, Bilanz zu ziehen. Schließlich ist er noch bis 2016 im Amt. Natürlich habe er Abiturskollegen, die seit zehn Jahren im Ruhestand sind. „Die bewundere ich, aber ich beglückwünsche sie nicht", sagt Müller. Solange man noch gebraucht werde, fit und motiviert sei, spreche nichts dagegen, auch mit 70 noch zu arbeiten. Er kenne keinen Beruf, bei dem Lebenserfahrung und Menschenkenntnis so wichtig seien wie bei einem Politiker.